Hot seat: Stefan Göstl

Datum: 28 Apr, 2020
Vier Fragen an Stefan Göstl von Drees & Sommer. Mit dem Verantwortlichen für die Life Sciences und Chemie-Branche in Bayern sprechen wir über deren Aktivitäten und die Auswirkungen der Corona-Krise.

Herr Göstl, Drees & Sommer betreut Bauvorhaben von Unternehmen. Wie genau sieht diese Zusammenarbeit aus?

Wir bei Drees & Sommer haben den Leitsatz, für unsere Kunden der innovative Partner für Beraten, Planen, Bauen und Betreiben von Liegenschaften, Immobilien und Infrastruktur zu sein. Als solcher begleiten wir unsere Bauherren und Mandanten von der frühen Projektidee bis hin zur Realisierung beziehungsweise Implementierung der Vorhaben.

Die Rolle, die wir einnehmen, ist dabei vielseitig und entsprechend auf die speziellen Kunden- und Projektanforderungen zugeschnitten. Bei Bauvorhaben kann dies von einer klassischen Projektsteuerung bis hin zur Übernahme eines EPCM-Mandats reichen.

Dabei profitieren unsere Auftraggeber von unserem Anspruch, Innovationsführer in unserer Branche zu sein. Beispielsweise setzen wir auf bewährte Tools und Prozesse, die jedoch kontinuierlich weiterentwickelt werden. Unser Lean-Construction-Management-Ansatz ist dabei eines der Herzstücke.

Neben unserer Branchen- und Methodenkompetenz schätzen unsere Kunden vor allem das partnerschaftliche Verhältnis, das uns sehr wichtig ist. Denn nur wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, kann ein Projekt erfolgreich sein.

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Situation auf Ihre Aktivitäten und wie gehen Sie damit um?

Wir sehen in der Chemie- und Life-Sciences-Branche einen sehr unterschiedlichen Umgang der Marktteilnehmer mit dieser Situation. Was man allerdings doch feststellen muss, ist, dass die gegenwärtigen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus dazu führen oder führten, dass Bau- und Umbauprojekte verlangsamt oder sogar gestoppt werden.

Nun kann man sagen, dass wir in der Chemie- und Life-Sciences-Branche mit Shutdowns und Turnarounds vertraut sind. Die aktuelle Situation stellt uns jedoch vor weit komplexere Aufgaben und Risiken, als das im Rahmen geplanter Maintenance-Phasen der Fall ist. So ist im Moment nicht sicher, ob die Projekt- oder Betriebsbeteiligten vor der Krise auch danach noch die gleichen sein werden oder welche Auswirkungen die verzögerten oder gar unterbrochenen Materialflüsse haben werden. Es entstehen unbestreitbar Risiken in Bezug auf Termine, Kosten, Produktion und Produktionsstart – und damit für die Geschäftstätigkeit.

Als Drees & Sommer versuchen wir, unsere Kunden optimal zu unterstützen. Erstes Ziel muss es sein, Klarheit in diese herausfordernde Situation zu bringen. Es geht darum, sich zu ordnen, Verständnis zu erlangen, Entscheidungen herbeizuführen, die entsprechenden Maßnahmen einzuleiten und umzusetzen. Auch hierfür greifen wir auf unsere Tools und Prozesse zurück und passen diese auf die gegenwärtigen Herausforderungen an. Froh sind wir, dass wir bereits einen hohen Digitalisierungs-Reifegrad haben. Dieser hilft uns aktuell enorm, in der unternehmensinternen Zusammenarbeit aus dem Homeoffice heraus, aber auch in der Interaktion mit Kunden und Dritten.

Darüber hinaus bieten Sie Unterstützung im Anlagen-, Gebäude- bzw. Baustellen-Shutdown sowie bei der Erstellung von Wideraufnahme-Szenarien und -plänen.

Das ist richtig. Diese Leistungen sind auch ein Teil unserer Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen. So haben beispielsweise unsere Facility-Management-Experten schon vor einigen Wochen einen Workflow mit unterstützender Checkliste für das gezielte, kurzfristige Herunterfahren von Gebäuden und ganzen Standorten aufgestellt.

Unsere Projektmanager helfen ihren Bauherren, Gefährdungsanalysen und Szenarien hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf deren Projekte zu erstellen. Kollegen aus dem Vertragsmanagement binden wir ein, um Themen wie Claims oder Fördermittel zu bearbeiten. Die Planungsingenieure sichern Planungsstände und untersuchen Möglichkeiten der angemessenen Fortführung.

All diese Maßnahmen sind ein Auszug eines Gesamtprozesses, den unsere LCM-Berater unter Nutzung der Lean-Methodik und -Tools erstellt und in ein digitales Workshop-Format gebracht haben. Damit durchlaufen wir mit den Kunden einen professionellen, zielorientierten, zeit- und kosteneffizienten Fahrplan, um entweder den kommenden Shutdown, den aktuellen Hold oder aber den bevorstehenden Restart der Bau- oder Umbauprojekte zu managen.

Übrigens teilen wir diese Ansätze auf unserer Website und unseren Social-Media-Kanälen. Interessierte können dort mehr erfahren oder natürlich jederzeit direkt an mich herantreten.

Es wird eine Zeit nach Corona geben. Wie schauen Sie in die Zukunft?

Erstmal wünsche ich mir, dass wir alle mit unseren Liebsten, unseren Kollegen, unseren Freunden gesund durch diese Zeit kommen. Das wünsche ich jedem.

Ich hoffe, dass wir bald zur Normalität zurückkehren können, oder zumindest zu dem, was wir für normal halten. Ich denke aber auch, dass diese Zeit nachhaltige Veränderungen mit sich bringen wird. Nachhaltig ist schon das erste Stichwort. Themen wie Klimaneutralität, Circular Economy, Cradle to Cradle oder auch „Enkelfähigkeit“ werden weiter an Bedeutung gewinnen – speziell in unserer Branche.

Ich denke weiter, dass das Thema Digitalisierung bei vielen in den letzten Wochen deutlich an Fahrt aufgenommen hat. Künftig wird es unsere Zusammenarbeit wohl auch in der Breite prägen. Ich sehe aber auch, dass wir nicht aufhören dürfen, innovativ zu sein und uns auf Neues einzulassen. Das hat uns und unsere Kunden in den letzten Wochen sicher sehr geholfen. Ich würde mir wünschen, dass wir dieses Momentum der raschen Anpassungsfähigkeit halten können.

Ebenso wünsche ich mir, dass wir in der Zusammenarbeit über Firmengrenzen hinaus so partnerschaftlich, hilfsbereit und unterstützend weiterarbeiten können, wie das aktuell in vielen Geschäftsbeziehungen der Fall ist. Die Menschlichkeit hierbei genieße ich sehr.

Stefan Göstl studierte Betriebs- und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Nürnberg und München.  Nach seinem Studium stieg er in die Öl- & Gas-Industrie ein, in der er zuerst für ein auf Anlagenbau spezialisiertes Ingenieurbüro, dann für die größte globale Unternehmensberatung tätig war.  Während seiner internationalen Beratertätigkeit erweiterte sich sein Wirkungsfeld auf die chemische und petro-chemische Industrie und schließlich auf die Life Sciences Branche.  Seit 5 Jahren arbeitet Stefan Göstl in der Beratung, Planung und dem Management von Hochbau- und Infrastrukturvorhaben.  Bei Drees & Sommer ist er der Verantwortliche für die Life Sciences und Chemie-Branche in Bayern.