Hot Seat: Professor Michael Zavrel

Datum: 31 Mai, 2022

Herr Zavrel, Sie sind seit Juni 2022 Professor für Bioverfahrenstechnik am TUM Campus Straubing: Bisher waren Sie in der Industrie bei Clariant tätig. Was hat Sie bewogen, zurück an die Universität zu gehen und eine Professur anzunehmen?

Die Transformation von einer auf fossilen Rohstoffen basierenden Ökonomie zu einer Bioökonomie ist eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft. Ein wichtiger Baustein dafür ist die Entwicklung von nachhaltigen Herstellverfahren neuer Produkte auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen. Schon seit Promotionszeiten an der RWTH Aachen ist es mein Anliegen mit meiner Forschung dazu beizutragen. In den letzten fast 14 Jahren habe ich in der industriellen Forschung und Entwicklung bei Süd-Chemie und Clariant gearbeitet, zuletzt als Head of Development & Biomanufacturing, sowie als Standortleiter für den Biotechnologie-Standort Planegg. Dabei war immer die Nutzung nachwachsender Rohstoffe im Fokus, ein Beispiel dafür ist der sunliquid®-Prozess zur Herstellung von Zellulose-Ethanol aus Agrarreststoffen wie Weizenstroh. Ich freue mich nun sehr darauf, als Professor nun auch mit kleinen und mittelständischen Unternehmen und Start-ups zusammenzuarbeiten, die nachhaltige Bioprozesse entwickeln möchten, und vor allem auch darauf, mein Wissen und meine Erfahrungen an Studierende und Doktoranden weiterzugeben.

Warum sind Sie nach SR gekommen? Was zeichnet dem TUM Campus Straubing aus?

Straubing ist das Zentrum für nachwachsende Rohstoffe in Bayern und bietet ein ideales Umfeld für meine Professur. Der TUM Campus Straubing verfügt über ein exzellentes wissenschaftliches Personal und modernste Forschungsgebäude, wie das neue Gebäude in der Uferstraße, wo meine Professur beheimatet ist. Der Campus wächst weiter und immer mehr Studierende zieht es nach Straubing. Mit dem Fraunhofer IGB, dem Kompetenzzentrum für nachwachsende Rohstoffe (KoNaRo), dem Technologie- und Förderzentrum (TFZ) und C.A.R.M.E.N. (Centrales Agrar-Rohstoff-Marketing- und Entwicklungsnetzwerk e. V.) existiert bereits ein hervorragendes Netzwerk. Mir gefällt auch die Förderung von Start-ups, wie zum Beispiel der von der BioCampus Straubing GmbH ausgerichtete Wettbewerb „PlanB – Biobasiert.Business.Bayern“. Während meiner Zeit bei Clariant war ich bereits oft in Straubing, da sich dort die sunliquid®-Demonstrationsanlage befindet. Um zukünftig weitere nachhaltige Bioprozesse im großen Maßstab zu demonstrieren, wird bald in Straubing-Sand die Mehrzweckdemo-Anlage für die industrielle Biotechnologie, BioCampus MultiPilot, errichtet. All dies wird die Region Straubing zu einem Vorreiter für die europäische Bioökonomie machen.

Was ist Ihr Forschungsschwerpunkt und warum ist dieser wichtig?

In meiner Forschung wird es um die Entwicklung nachhaltiger Bioprozesse gehen, also biotechnologische Prozesse, die nachwachsende Rohstoffe zu neuen biobasierten und biologisch abbaubaren Produkten umsetzen. Ein Schwerpunkt wird dabei die Verwertung von Reststoffen sein, die nicht in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln stehen, wie zum Beispiel Reststoffe aus der Landwirtschaft. Solche Prozesse müssen tolerant gegenüber natürlichen Schwankungen in der Zusammensetzung der Reststoffe sein und vor allem auch in großen Anlagen kosteneffizient durchführbar sein. Mein Ansatz dabei ist die ganzheitliche Prozessentwicklung, also vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Um möglichst schnell das effizienteste und robusteste Verfahren zu identifizieren, wird eine Methodik eingesetzt und weiterentwickelt, die aus einem Zusammenspiel von mathematischen Modellen, zielgerichteten Experimenten und Kostenschätzungen besteht. Dabei wird immer der Produktionsmaßstab im Blick sein, daher erfolgt nach dem Scale-up eine Demonstration im großen Maßstab zusammen mit Partnern.

Wenn Sie das Forschungsgebiet interessiert und Sie eine Masterarbeit, Promotion oder Postdoc zum Thema nachhaltige Bioprozesse machen wollen, melden Sie sich gerne bei: michael.zavrel@tum.de


Prof. Dr.-Ing. Michael Zavrel studierte Chemie-Ingenieurwesen an der TU München mit einem Auslandssemester an der University of California in Santa Barbara, USA. Seine Diplomarbeit fertigte er bei Roche Diagnostics an. Anschließend promovierte er am Lehrstuhl für Bioverfahrenstechnik an der RWTH Aachen unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. Jochen Büchs. 2008 wechselte er in die Industrie zu Süd-Chemie, ab 2012 Clariant, wo er verschiedene Führungspositionen innehatte. Seit Juni 2022 ist er Professor für Bioverfahrenstechnik am Campus Straubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit der Technischen Universität München.