Prof. Dr.-Ing. Matthias Franke, Leiter des Institutsteil Sulzbach-Rosenberg des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT nimmt heute auf unserem Hot Seat Platz und gibt einen Einblick wie der junge Fraunhofer Circonomy Hub für Circular Carbon Technologies zur Rohstoffwende und einem erfolgreichen Transit hin zu einer Kreislaufwirtschaft beiträgt.
Guten Tag Herr Franke, im Januar überreichte Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert den Förderbescheid für den Aufbau eines Fraunhofer Circonomy Hubs für Circular Carbon Technologies (CCT) in Bayern. Können Sie unserem Cluster einen Einblick geben, was ein Circonomy Hub ist und welche Themen darin behandelt werden sollen?
Die Circonomy Hubs sind eine Initiative der Fraunhofer Gesellschaft, um nachhaltige Produktion und zirkuläres Wirtschaften in die Praxis zu bringen. Es soll mehrere, themenbezogene Hubs in Deutschland geben. Ziel ist es, dass Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft darin eng zusammenarbeiten. In Bayern haben wir den ersten Circonomy Hub initiiert. Der Fokus hier liegt auf Kohlenstoff-Management-Technologien, vor allem im Kontext Ressourcensicherung und Energieerzeugung. Einige der Kernfragen sind hier zum Beispiel: welche Alternativen zu fossilen Kohlenstoffquellen gibt es und wie lassen sich diese erschließen, zum Beispiel Abfälle, Biomasse oder CO2 als Rohstoff für Basischemikalien? Wie lässt sich die Kreislaufführung und Bindung von Kohlenstoff in Produkten verbessern? Und welche Prozesse lassen sich vollständig dekarbonisieren, z.B. in dem sie auf Wasserstoffbasis umgestellt werden? Es ist klar, dass die Lösungsfindung verbunden ist mit einer tiefgreifenden industriellen Transformation. Die Chemiebranche ist hiervon in besonderem Maße betroffen. Die wichtige Nachricht ist, dass es innovative technische und konzeptionelle Lösungsansätze bereits gibt. In der Regel sind diese aber vereinzelt und nicht in einer Wertschöpfungskette integriert. Hier setzt der Hub an! Er will die in Bayern bereits vorhandenen Kompetenzen, Technologien und Infrastrukturen bündeln, um gemeinsame Projekte auf den Weg zu bringen.
Auf welche Weise kann der CCT Circonomy Hub unsere Cluster-Mitglieder unterstützen, die in verschiedenen Bereichen der Chemiebranche und ihrer Peripherie angesiedelt sind? Wie können interessierte Unternehmen mit Ihnen kooperieren?
Ein wichtiges Ziel des Hubs ist es, den Transfer von der Forschung in die industrielle Anwendung zu beschleunigen. Hierfür bieten wir Unternehmen einen koordinierten Zugang zu vorhandenen Technologien, zu Test- und Anwendungsumgebungen an den Fraunhofer Instituten, aber eben auch darüber hinaus, zum Beispiel an beteiligten Hochschulen. Darauf können dann gemeinsame, unternehmensübergreifende Forschungs- und Demonstrationsprojekte aufgesetzt werden. Später sollen Markt- und Technologiestudien, Formate für den Know-how-Transfer sowie regionale Anwendungs- und Demonstrationszentren hinzukommen. Wir planen auch die Einrichtung eines Industriebeirats, über den sich Unternehmen in die Arbeitsweise des Hubs einbringen können.
In welchen Bereichen einer Bayerischen Kreislaufwirtschaft sehen Sie große Potenziale und wo sehen Sie Herausforderungen, die es zu lösen gilt?
Regionale Ressourcenkreisläufe können der Industrie helfen, ihre Klimaziele zu erfüllen, aber auch, die eigene Rohstoffversorgung abzusichern. Gleichzeitig werden nachhaltige Industrieprodukte, zum Beispiel klimaneutrale Kunststoffe in hoher Qualität, weltweit immer stärker nachgefragt – ein möglicher Wettbewerbsvorteil für den Anbieter. Eine zusätzliche Chance liegt in der Entwicklung und Vermarktung der „Circular Carbon“-Technologien selbst. Bayern ist stark im Anlagen- und Maschinenbau und könnte hier zum Technologieanbieter werden. Die globale Nachfrage wird in den kommenden Jahren deutlich anwachsen. Der Circonomy Hub könnte sich dann für die internationale Kommerzialisierung der bayerischen Lösungen im Ausland einsetzen, gemeinsam mit Industrieverbänden, Politik und Unternehmen. Die größte Herausforderung besteht sicherlich darin, die Transformation schnell hinzubekommen. Klimawandel und Rohstoffknappheit sind akute und gleichzeitig komplexe Probleme. Der Handlungsdruck wird größer.
Diese Fragestellungen beschäftigen auch Mitglieder des Chemie-Cluster Bayerns.
Wir wollen den Austausch und die Zusammenarbeit mit der chemischen Industrie in Bayern gerne intensivieren – im Rahmen der Circonomy Hubs, aber gerne auch darüber hinaus. In Bayern sind die am Hub beteiligten Institute das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) in Sulzbach-Rosenberg, das Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), Standort Straubing und die Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie (IWKS) in Alzenau.
Herzlichen Dank für das Interview, Herr Franke.
Prof. Dr.-Ing. Matthias Franke leitet den Institutsteil Sulzbach-Rosenberg des Fraunhofer Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT. Er bekleidet eine Honorarprofessur an der School of Chemical Engineering der Universität Birmingham und lehrt an der School of Life Sciences der TU München im Bereich Abfallwirtschaft. Franke ist in verschiedenen nationalen und internationalen Gremien im Bereich Circular Economy aktiv.