Hot Seat: Jan Neuber & Christoph Storm

Datum: 23 Feb, 2022

Hallo Herr Neuber (Otto A. Müller Recycling GmbH) und Herr Storm (Schierbecker Handels GmbH & Co. KG und Circular Store) vielen Dank, dass Sie sich auf unseren Hot Seat setzen.

Ihre beiden Unternehmen denken Recycling neu. Sie suchen in Reststoffen Potential für eine sinnvolle Weiterverwertung, die über Verbrennung und Biogasanalgen hinaus geht. Wann und wie kam es zu dieser Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft?

Jan Neuber: Den ersten richtigen Anstoß nach vielen Jahren in der Bioenergie sich weiterzuentwickeln, kam 2009 durch ein Projekt im Bereich des Phosphorecyclings. Es brachte uns die Erkenntnis, wir können mehr aus Reststoffen machen und wollen in Zukunft  unsere Stoffströme bestmöglich rezyklieren. Die energetische Nutzung steht dabei erst am Ende der Nutzungskette. Mit unseren Upcyclingprojekten wollen wir es schaffen industrielle Reststoffe und Nebenprodukte nicht länger zu entsorgen, sondern einer höherwertigen Verwertung zuzuführen. Bspw. liefern wir einem Klebstoffhersteller Nussschalen für seine Formulierungen und helfen damit den biogenen Anteil im Produkt nachhaltig durch einen Reststoff zu erhöhen.

Christoph Storm: Die Schierbecker Handels GmbH hat ihren Ursprung in der Landwirtschaft und im Landhandel. Und Landwirtschaft ist im Bezug auf biologische Stoffe fast immer auch eine Kreislaufwirtschaft. Rohstoffe entstehen auf dem Feld und gehen irgendwann dorthin zurück. Man könnte also sagen wir arbeiten seit über 15 Jahren in einer Kreislaufwirtschaft. Was aber erst in den letzten Jahren dazu kam, war das Interesse anderer Industriezweige an alternativen und nachhaltigen Materialien. Das war vor ein paar Jahren noch die Ausnahme und nimmt nun rasant zu.  

 Wie arbeiten Ihre Unternehmen konkret und wo ergänzen Sie sich gegenseitig?

Jan Neuber:  Wir sind Rohstoffscout für die Industrie und schauen, welche alternativen Stoffströme es im Austausch für Primärrohstoffe gibt. Getrieben von der Frage: Können wir mit einem Rezyklat die Qualtiäts- und Mengenanforderungen erfüllen und die Nachhaltigkeit verbessern? Zugleich sind wir auch als Reststoffdetektiv unterwegs. Wir kümmern uns um industrielle Rest- und Abfallströme und suchen nach neuen Anwendungsfeldern. Dies geschieht branchen- und länderübergreifend und mit Hilfe unseres stetig wachsenden Netzwerks an Partnern. Die Komplexität im Upcycling wäre für ein KMU alleine nicht zu bewerkstelligen.

Christoph Storm: Ich denke unsere Unternehmen haben ähnliche Ansätze, aber unterschiedliche Schwerpunkte. Wenn Jan mehr in der Industrie unterwegs ist und auch viel mit anorganischen Produkten arbeitet, fokussieren wir uns mehr auf organische Rohstoffe. Neben der Produktentwicklung für unsere KundInnen haben wir außerdem angefangen selbst in die Produktenwicklung zu gehen. Wir treiben einige Ideen selbst voran und daraus ergeben sich wiederrum neue Kontakte und neue Projekte. Das funktioniert momentan sehr gut für uns.

Wo sehen Sie die größten, aktuell bestehenden Herausforderungen in Richtung einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft? Wo sehen Sie Entwicklungsbedarf auf politischer Ebene?

Christoph Storm: Eine ehrliche Bilanzierung aller Rohstoffe würde uns sehr helfen. Fossile Rohstoffe sind selbst im Vergleich zu Reststoffen sehr günstig. Aber halt nur, weil alle Folgekosten externalisiert werden. Die CO2 Steuer ist da ein Schritt in die richtige Richtung. Ihre Höhe müsste sich aber den wirklichen Kosten orientieren.

Jan Neuber:  Außerdem sehen ganz klaren ordnungspolitischen Bedarf. Der sich gerade in Europa entwickelnden Circular Economy fehlt der rechtliche Rahmen. Wir scheitern mit vielen Projekten am Abfallstatus von Reststoffen, da die Regulierungen und Verordnungen diese Art von Nachnutzung nicht vorgesehen haben. Zudem fehlt es in den zuständigen Behörden oftmals an Know-how für die fachliche Bewertung von Circular-Economy-Projekten. Hier könnte unserer Meinung nach ein Competence Center beim Umweltbundesamt als interne Beratungsstelle für die lokalen Behörden ein sinnvoller Schritt sein.


Jan Neuber

Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Uni Hamburg

Seit 2006 bei Otto A. Müller Recycling aktiv in den Bereichen Bioenergie, Düngemittel und seit einigen Jahren mit dem Fokus auf Upcycling von Rest- und Nebenprodukten in technischen Anwendungen.


Christoph Storm

Studium der Politikwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre an der Leuphana Universität Lüneburg

Seit 2019 bei Schierbecker Handels GmbH & Co. KG – Bereich Circular Store