Hot Seat: Dr. Michael Richter

Datum: 13 Jul, 2023

Das Fraunhofer IGB forscht an drei Standorten. Neben dem Hauptsitz in Stuttgart gibt es das CBP in Leuna und den Standort Straubing. Hier liegt der Fokus auf Bio-, Elektro- und Chemokatalyse. Woran arbeitet ihr genau?

In unserem Labor arbeiten wir an Themen rund um die Bioinspirierte Chemie. Mit diesem Ansatz wollen wir exklusive molekulare Strukturen aus der Natur oder auch Biosyntheseprinzipien nutzen, um neuartige Fein- und Spezialchemikalien zu synthetisieren oder auch um biobasierte Materialien herzustellen. Schwerpunkte sind demzufolge die Synthese- und Material- und Verarbeitungsentwicklung sowie Anwendungstests. Dazu arbeiten wir in agilen multidisziplinären Teams mit dem Mindset eines Start-ups. Als Alleinstellungsmerkmal in der Fraunhofer-Gesellschaft konnten wir in den letzten Jahren ein Labor für Technische Biopolymere aufbauen (LTBP), in dem sich alles rund um biobasierte Materialien dreht.

Unsere Gesellschaft steht vor großen Herausforderungen, um industrielle Produktionsprozesse unabhängig von fossilen Rohstoffen zu machen. Welche Bedeutung hat dieses Thema Ihrer Ansicht nach für die chemische Industrie und Werkstoffproduktion? Wie kann das Fraunhofer IGB in Straubing hier mit innovativen Verfahren unterstützen?

Alles um uns herum ist Chemie und besonders in unserem Alltag begegnen wir dann oft synthetisch erzeugten Produkten. Viele davon sind nach wie vor fossilbasierten Ursprungs. Ich finde es richtig und alternativlos, vermehrt die Verwertungsmöglichkeiten von biobasierten Rohstoffen zu erforschen. Es ist mir aber auch wichtig zu sagen, dass wir die Ansätze komplementär sehen sollten. Speziell fossilbasierte Stoffe, die im Kreis geführt werden können, werden weiterhin große Bedeutung haben, genauso wie biobasierte Produkte − besonders solche, bei denen sich durch die verwendeten Bausteine aus der Natur ein klarer Funktionsvorteil zeigt. Das Fraunhofer IGB kann hier insbesondere Firmen helfen, im Innovationsraum der biobasierten Chemie echtes Neuland zu betreten.

Was bedeutet Bioinspirierte Chemie genau? Können Sie uns ein konkretes Beispiel beschreiben?

Wie oben beschrieben, haben es meine Kolleginnen und Kollegen geschafft, aus bestimmten Terpenen, einem Reststoffabfall der Holzindustrie, Hochleistungspolyamide herzustellen. Diese tragen bestimmte molekulare Strukturen, die den Polymeren exklusive Eigenschaften verleihen und die eben aus dem Rohstoff selbst herstammen (grün = Funktionsvorteil). Solche Merkmale können so nicht ohne Weiteres aus Erdöl hergestellt werden.

Mit wem arbeitet Sie zusammen? Eher mit mittelständischen Unternehmen oder können auch Start-ups ansprechen?

Wir sind praktisch für jeden Partner da, der in den Bereichen, in denen wir aktiv sind, Unterstützung benötigt. Wir decken die ganze Innovationskette in der angewandten Forschung ab, von der Literaturstudie über Analytikaufträge bis hin zu initialen Experimenten und zur Forschung im höheren Reifegrad inklusive Anwendungstests. Wir haben mit Firmen aus allen Bereichen sehr gute Erfahrungen gemacht, vom Start-up bis hin zum Weltkonzern – denn die grundsätzlichen wissenschaftlichen Fragestellungen unterscheiden sich hier nicht. Wir gehen dabei stets auf gleiche Weise vor.

Wie können Unternehmen mit euch am Besten in Kontakt treten und was sollten sie mitbringen?

Das funktioniert oft über direkte Anrufe oder durch das Anschreiben über Kontaktformulare auf unserer Website. Das Beste ist aus meiner Sicht immer das persönliche Gespräch vor Ort − in Straubing oder beim Kunden. Da geht es dann erstmal ums Zuhören und das Identifizieren der fachlichen Fragestellung sowie um die Abklärung, wie und in welchen Rahmen wir unterstützen können. Als Servicedienstleister im Bereich der angewandten Forschung arbeiten wir dann gemäß einer definierten Auftragserteilung durch den Partner.


Dr. Michael Richter ist Chemiker und leitet am Fraunhofer IGB am Standort in Straubing das Innovationsfeld Bioinspirierte Chemie. Dieses Laborteam arbeitet im Bereich der Nachhaltigen Chemie und widmet sich unter anderem der Entwicklung von neuen Materialien, die sich durch eine maximale  Funktionsintegration biobasierter Moleküle auszeichnen.