Im Hot Seat Interview spricht Prof. Dr. Markus Sause, Direktor des KI-Produktionsnetzwerks an der Universität Augsburg, über den Transfer von KI aus der Forschung in die industrielle Praxis. Er erklärt, wie insbesondere die chemische Industrie und kleine sowie mittlere Unternehmen von KI profitieren können, gibt Einblicke in konkrete Anwendungsbeispiele und zeigt, wie sein Team Unternehmen bei der Umsetzung unterstützt. Zum Schluss verrät er auch, wie KI seinen persönlichen Alltag bereichert.
Lieber Herr Prof. Dr. Sause, Sie sind Direktor des KI-Produktionsnetzwerk an der Universität Augsburg, welches im Rahmen der bayerischen Hightech Agenda im Herbst 2020 ins Leben gerufen wurde. Was genau ist das KI-Produktionsnetzwerk und welche Ziele verfolgt es?
Das KI-Produktionsnetzwerk an der Universität Augsburg ist eine Plattform, die Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Start-ups zusammenbringt. Ziel ist es, KI-Technologien aus der Theorie in die industrielle Praxis zu bringen – mit realen Produktionsanlagen im industriellen Maßstab, praxisnahen Pilotprojekten und einem starken Expertennetzwerk. Im Mittelpunkt stehen Effizienzsteigerung, Nachhaltigkeit und Innovationsförderung.
Wie beurteilen Sie die Rolle der KI in der chemischen Industrie und ist KI auch für KMU relevant?
Die chemische Industrie kann enorm von KI profitieren, da viele Prozesse hoch komplex sind und potentiell riesige Datenmengen anfallen – von der Materialentwicklung bis zur Produktionssteuerung. KI hilft, Ressourcen effizienter einzusetzen, Ausschuss zu minimieren und Qualitätsschwankungen frühzeitig zu erkennen. Gerade für KMU ist KI relevant, da sie hilft, mit weniger Aufwand präzisere Entscheidungen zu treffen und sich im globalen Wettbewerb zu behaupten.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel liefern?
Viele Anlagen in der chemischen Industrie werden auf Basis von Erfahrungswerten mit Prozessparametern gefahren, welche die gewünschten Produkteigenschaften erzielen. Oft beruhen diese Erfahrung der Mitarbeiter aber eher auf Bauchgefühl als auf Modellen. Mittels KI-Assistenzsystemen lassen sich die Zusammenhänge zwischen Prozessparametern und Produktqualität aber langfristig erfassen. Das führt dazu, dass diese Assistenzsysteme sich diese Erfahrung aneignen und ab einem gewissen Punkt Vorhersagen für bessere Prozessparameter ermöglichen.
Wie unterstützen Sie Unternehmen bei der Anwendung von KI?
Wir helfen Unternehmen, KI gezielt in ihre Produktionsprozesse zu integrieren – von der ersten Idee bis zur konkreten Anwendung. Durch praxisnahe Forschungsprojekte, Testumgebungen im industriellen Maßstab und Schulungen machen wir KI greifbar und einsatzbereit. So unterstützen wir Firmen jeder Größe dabei, effizienter, resilienter und zukunftsfähig zu werden.
Noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Nutzen Sie KI auch privat und falls ja, welche Anwendung finden Sie am hilfreichsten/beeindruckendsten?
Selbstverständlich nutze ich KI für meinen Büroalltag genauso wie auch privat. Vom Planen meines Urlaubs (“Was muss man in X gesehen haben, wenn ich vier Tage Zeit habe?”) bis hin zu gemeinsamer Wissensaneignung mit den Kindern (“Erkläre mir die erste Mondlandung anschaulich für einen Fünfjährigen”) ist alles dabei.
Seit mehr als 15 Jahren treibt Prof. Dr. Markus Sause als Visionär datengetriebene Technologien voran. In seiner Funktion als Direktor des KI-Produktionsnetzwerks Augsburg setzt er gemeinsam mit einem interdisziplinären Team schon heute die Industrie 5.0 um. Der Fokus liegt auf der bestmöglichen Kooperation von Menschen und Automatisierung, der durchgängigen Nutzung von KI-Technologien, sowie der Entwicklung von nachhaltigen und resilienten Technologien für die Produktion.
Trotz manch gegenteiliger Aussage aus der Politik steht für viele Unternehmen fest, dass sie sich nicht nur an eine grüne Transformation anpassen, sondern diese aktiv gestalten müssen, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Die Nutzung erneuerbarer Energien für eine CO2-arme Produktion (Dekarbonisierung) ist heute eine von vielen getroffene Entscheidung. Ebenso wichtig ist auch die Defossilisierung, die Umstellung der Rohstoffbasis auf nicht fossile Ressourcen. Christopher vom Berg ist seit 2021, gemeinsam mit Michael Carus, Executive Manager der Renewable Carbon Initiative und erläutert hier, welche Ziele die Renewable Carbon Initiative (RCI) verfolgt.
Am 9. April haben Sie zudem die Möglichkeit, mit ihm in unserem Webinar „CCB-Spotlight – Carbon Management als Schlüssel zur erfolgreichen Transformation in der Chemieindustrie“ über erneuerbaren Kohlenstoff und Carbon Management zu diskutieren.
Christopher, bitte erkläre unseren Leser:innen, was eigentlich unter Renewable Carbon/erneuerbarem Kohlenstoff verstanden wird und warum sich Unternehmen über Renewable Carbon Gedanken machen sollten.
Kohlenstoff ist in den letzten Jahren vor allem als Problem betrachtet worden – zu viel CO2 und zu viele Treibhausgase in der Atmosphäre beschleunigen die Erderwärmung. Allerdings ist Kohlenstoff auch der “Baustein des Lebens“, auf dem Pflanzen und Tiere, viele von uns genutzte Materialien und Produkte und eben auch die gesamte organische Chemie aufgebaut sind. Um den Klimawandel anzupacken, wird in der Regel eine Dekarbonisierung angestrebt – wie z.B. im Energiebereich, wo sie mit Recht und Sinn als Lösung gefordert wird. Die organische Chemie kann allerdings nicht dekarbonisiert werden, da sie vollständig auf der Nutzung von Kohlenstoff basiert. Hierzu gehört auch die Kunststoffindustrie, ohne deren vielseitige Polymere die moderne Welt nicht vorstellbar ist – oder nur mit erheblichem Verzicht und/oder höheren Treibhausgasemissionen. Der fossile Kohlenstoff, der aus dem Boden geholt wird, gelangt früher oder später weitestgehend in die Atmosphäre und erhöht dort die CO2-Konzentration. Nur durch den Verzicht auf fossilen Kohlenstoff kann ein weiterer Anstieg der CO2-Konzentrationen vermieden werden. Was im Energiebereich also die Dekarbonisierung darstellt, ist für die Chemie- und Kunststoffindustrie der Umstieg auf erneuerbaren Kohlenstoff, um nicht weiter neuen fossilen Kohlenstoff aus dem Boden holen zu müssen. Inzwischen wird weitgehend anerkannt, dass es nur drei mögliche Quellen erneuerbaren Kohlenstoffs gibt: Erneuerbarer Kohlenstoff aus dem Recycling von bereits vorhandenen Kunststoffen (mechanisches und chemisches Recycling), erneuerbarer Kohlenstoff aus allen Arten von Biomasse und erneuerbarer Kohlenstoff aus direkter CO2-Nutzung, d. h. aus fossilen Punktquellen (solange es diese gibt) sowie dauerhaft aus biogenen Punktquellen und „Direct-Air-Capture“ aus der Atmosphäre.
In diesem Zusammenhang taucht auch der Begriff „Embedded Carbon“ von Chemikalien und Werkstoffen auf. Was wird darunter verstanden und wie hängt dies mit den Scope 1,2,3 Emissionen zusammen?
Hier muss man erstmal generell unterscheiden: Bei der RCI betrachten wir den „embedded carbon“, und meinen damit den Kohlenstoff, der in Chemikalien, Materialien und Produkten gebunden ist. Als „embedded carbon footprint“ werden aber ebenfalls häufiger, vor allem im Baubereich, die Treibhausgasemissionen bezeichnet, welche spezifisch über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts entstehen, so dass man diesem Produkt also einen CO2-Fussabdruck zuordnen kann. Unabhängig von dieser Unterscheidung führt die Nutzung von erneuerbarem Kohlenstoff aber generell zu einer Defossilisierung, weil dadurch neuer, fossiler Kohlenstoff durch die erneuerbaren Alternativen aus Biomasse, Carbon Capture und Recycling ersetzt und ein Kohlenstoffkreislauf etabliert wird. Und eine solche Defossilisierung hilft dann ganz erheblich dabei, die für einzelne Firmen schwer zu packenden Scope 3-Emissionen zu adressieren. Dazu muss man erst einmal verstehen, dass Scope 1 (Emissionen aus Anlagen, Fahrzeuge und Eigentum der Firma) und Scope 2-Emissionen (zugekaufte Energie) unter direkter Kontrolle der jeweiligen Firma liegen. Scope 3-Emissionen umfassen aber ALLE weiteren Emissionen upstream und downstream, und liegen damit außerhalb der direkten Kontrolle der Firma. Die in der Regel wesentlichsten Kategorien innerhalb von Scope 3 umfassen „purchased goods and services“ und „end-of-life treatment of sold products“, und genau hier führt eine Defossilisierung dazu, dass die aus diesen beiden Kategorien entstehenden Emissionen erheblich reduziert und auf Netto-Null gebracht werden können.
Was ist derzeit die größte Hürde, um schnell Erfolge bei der Defossilisierung zu erzielen?
Um es kurz und knapp auf den Punkt zu bringen: die größte Hürde ist die Konkurrenz mit den fossilen Rohstoffen und Chemikalien. Diese sind preislich in der Regel noch entscheidend günstiger, u. a. wegen steuerlicher Subvention, mangelnder Einpreisung von Externalitätskosten, und weil sie über Jahrzehnte in unseren Systemen etabliert, skaliert und optimiert wurden. Um diese Marktversagen zu überwinden und eine langfristige Veränderung und Transformation zu erreichen, muss über die Schaffung der richtigen politischen Rahmenbedingungen und Anreize gesprochen werden, um sogenannte Leitmärkte zu schaffen. Hier sehen wir immerhin deutliche Signale von der europäischen Kommission, dass diese das Thema inzwischen auf dem Schirm hat und angehen möchte, z.B. durch den Clean Industrial Deal oder das anstehende Update der Bioökonomiestrategie.
Von Lego und Vaude bis zu Covestro und UPM sind zahlreiche bekannte Unternehmen als Teil der Renewable Carbon Initiative bereit, ihren Teil zur Reduktion fossilen Kohlenstoffs beizutragen. Was ist das Ziel der RCI und wie profitieren Unternehmen davon?
Das Ziel der Renewable Carbon Initiative (RCI) ist es, den Übergang von fossilem zu erneuerbarem Kohlenstoff für alle organischen Chemikalien und Materialien zu unterstützen und zu beschleunigen. Die Initiative zielt darauf ab, fossilen Kohlenstoff vollständig durch erneuerbare Kohlenstoffquellen wie Biomasse, CO2 -Nutzung (Carbon Capture and Utilisation, CCU) und Recycling zu ersetzen, um eine klimaneutrale Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Die Mitglieder der RCI profitieren von verschiedensten Aspekten. Dazu gehört zum einen der gute Ruf des nova-Instituts und der wissenschaftlich fundierten Ausarbeitung und Beratung rund um erneuerbaren Kohlenstoff, zum anderen aber auch viele kleinere Vorteile wie Rabatte, interner Austausch mit Gleichgesinnten, und das Vorschlagen und Abstimmen über Themen, welche die RCI adressiert. Insbesondere möchte ich folgende Punkte hervorheben:
Einfluss auf Politik: Die Mitglieder sind aktiv eingebunden in der Ausarbeitung von wissenschaftlichen Berichten und Positionen, um den Übergang zu erneuerbarem Kohlenstoff mitzugestalten und sinnvolle politische Entscheidungen anzustoßen.
Erhöhte Sichtbarkeit: Mitgliedsunternehmen werden sichtbar als Vorreiter in der nachhaltigen chemischen Industrie und der gesamten daraus abgeleiteten Wertschöpfungskette wahrgenommen. Das betrifft auch große Endkonsumenten-Sektoren wie Verpackungen, Spielzeuge, Kleidung, Möbel oder Autos.
Netzwerkbildung und Zusammenarbeit: Mitglieder können sich mit anderen Unternehmen aus der gesamten Wertschöpfungskette vernetzen, um Innovationen voranzutreiben und gemeinsam an Projekten zu arbeiten.
Das Thema Renewable Carbon nimmt auch in Bayern Fahrt auf. Mittlerweile wird an einer landesweiten Strategie für das Carbon-Management gearbeitet und der Chemie-Cluster Bayern kooperiert mit C.A.R.M.E.N. e.V. im Cross-Cluster Projekt „CCU in Bayern“. Welche Empfehlungen hat die RCI für Politik und Wirtschaft in Bayern, um eine kreislauffähige Kohlenstoffwirtschaft zu realisieren?
Zuerst sollte klar definiert werden, welche Themen in der Carbon-Management Strategie adressiert werden sollten. Leider sehen wir häufiger noch, dass diese Strategien vor allem einen Fokus auf CO2 als Treibhausgas haben, und dann im Rahmen dessen die Themen Carbon Capture and Storage und Carbon Capture and Utilisation mitgedacht werden. Das ist z.B. in den Strategien von Deutschland und Österreich der Fall. Wir wünschen uns, dass Carbon Management weitergedacht wird und auch die Rohstoffversorgung derjenigen Sektoren mitberücksichtigt, die langfristig Kohlenstoff als Rohstoff benötigen. Das ist z.B. in den Strategien der EU und NRW sichtbarer hinterlegt. Damit der Freistaat Bayern eine kreislauffähige Kohlenstoffwirtschaft realisieren kann, sollte er auf der einen Seite Bedarf und Nachfrage an (erneuerbarem) Kohlenstoff analysieren: wie viel Kohlenstoff brauchen die bayerischen Unternehmen und Produzenten? Wie kann dieser Bedarf aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden?
Zum anderen sollten gezielte Schritte eingeleitet werden, um eine Defossilisierung der beheimateten Chemie zu ermöglichen. Die bereits erwähnten Leitmärkte können durch gezielte „Market-Pull“-Maßnahmen geschaffen werden, zu denen z.B. Ziele für erneuerbaren Kohlenstoff (oder auch einzelne Ziele für bio-basiert, CCU und recycling) gehören würden. Allerdings ist dies eher eine Stellschraube auf nationaler oder EU-weiter Ebene. Bayern selbst könnte dementsprechend weitere, regional umsetzbare Maßnahmen untersuchen, um den Marktbedarf zu erhöhen, etwa durch gezielte finanzielle Unterstützung zur industriellen Nutzung von erneuerbarem Kohlenstoff oder Vorschriften für die öffentliche Beschaffung. Darüber hinaus ist ein kontinuierlicher Dialog mit den verschiedenen ”Rohstofflieferanten“ – Bauern und Förster für Biomasse, Abfallverwerter für Recycling, Abfallverbrennung und Technologieprovidern für CCU – und Abnehmern entlang der gesamten Wertschöpfungskette empfehlenswert, sowohl um generell das Thema sichtbarer zu machen als auch um die spezifischen Bedürfnisse in Bayern gezielter erfassen und adressieren zu können.
Christopher vom Berg ist einer von zwei Geschäftsführern der Renewable Carbon Initiative (RCI) und arbeitet seit Oktober 2017 für das nova-Institut, wo er sich mit Nachhaltigkeits- und Politikthemen beschäftigte und weiterhin beschäftigt. In seinem Tagesgeschäft konzentriert sich Christopher vom Berg vor allem auf die Leitung und den weiteren Ausbau der RCI, die Entwicklung strategischer Konzepte für die Transformation der chemischen Industrie hin zu erneuerbarem Kohlenstoff und die Untersuchung von Politiken und Vorschriften, die sich auf die verschiedenen Säulen Biomasse, Kohlenstoffabscheidung und Recycling auswirken, die unter dem Oberbegriff erneuerbarer Kohlenstoff zusammengefasst sind.
Lars Havighorst erklärt uns im Interview wie er zur Gründungsidee von blue activity kam und was seine Firma an der Kühlwasserbehandlung revolutioniert.
Das Gespräch ist auch als Video unten im Beitrag zu sehen.
Hallo Lars, vielen Dank, dass du Dir die Zeit für dieses Interview mit uns nimmst. Was hat dich dazu bewegt blue activity zu gründen und in der Wasseraufbereitung für Industrieunternehmen aktiv zu werden?
Wir haben blue activity 2021 mit einer klaren Vision gegründet: die Kühlwasserbehandlung radikal zu verändern. Die herkömmliche Methode basiert auf Gefahrstoffen, die letztendlich in unsere Umwelt gelangen und dort die Biodiversität schädigen. Unser Ziel war es, diese Gefahrstoffe nicht nur zu reduzieren, sondern vollständig zu eliminieren.
Daher haben wir uns auf die Entwicklung von Lösungen mit Mikroorganismen konzentriert und umfangreiche Tests durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigen, dass eine gründliche Reinigung der Systeme deutlich wirksamer ist als die übliche Symptombehandlung. Ein zusätzlicher Vorteil ist die erhebliche Einsparung der Ressource Wasser, was wiederum in vielen Bereichen positive Auswirkungen hat.
Nachhaltigkeit und Umweltschutz werden zwar oft betont, rücken in der Praxis dann aber doch eher in den Hintergrund. Welche Vorteile bietet die nicht-biozidale Wasserbehandlung von blue activity gegenüber herkömmlichen Methoden?
Es gibt mehrere überzeugende Gründe. Der Hauptvorteil ist, dass wir das Kühlwassersystem komplett ohne Gefahrstoffe betreiben können. Das bedeutet, Gefahrstoffschulungen werden überflüssig und der Arbeitsschutz verbessert sich deutlich. Der wesentlichste Faktor für den Wechsel von konventionellen zur blue activity-Lösung ist jedoch, dass wir nicht mehr nur Symptome behandeln, sondern das gesamte System gründlich reinigen.
Als Anbieter eines mikrobiologischen Produkts können wir einen sicheren Übergang gewährleisten. Sollte es zu einer unerwünschten Erhöhung der Kontaminationsraten kommen, können wir sofort mit einem Biozid gegensteuern – genau das, wofür Biozide entwickelt wurden.
Unser besonderer Vorteil liegt darin, dass durch den Ersatz des herkömmlichen Biozids durch unsere innovativen Mikroorganismen erstmals deutlich bessere Wasserressourceneinsparungen möglich sind. Die Abwasserwerte verbessern sich erheblich, was einen bedeutenden Einfluss auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung hat, insbesondere im Hinblick auf die ESRS- oder CSRD-Richtlinien, die für große Unternehmen zunehmend wichtiger werden.
Was braucht ein Unternehmen, um von der klassischen Wasserbehandlung auf blue activity umzusteigen?
Die gute Nachricht ist: Der Kunde muss an seinen täglichen Abläufen oder bestehenden Prozessen praktisch nichts ändern. Wir dosieren unser neues Produkt mit Mikroorganismen genau an denselben Stellen, wo heute die herkömmlichen Produkte eingesetzt werden.
Was wir zusätzlich mitbringen, ist ein völlig neues Steuerungssystem. Dieses Board ermöglicht die Überwachung von bis zu neun verschiedenen KPIs. Es stellt sicher, dass wir die Hygienesicherheit rund um die Uhr im Blick behalten– dafür haben wir einen speziellen Biofilm-Sensor integriert. Außerdem können wir gemeinsam mit dem Kunden weiteres Optimierungspotenzial identifizieren und umsetzen.
Hierfür ist es hilfreich, mehr als nur die Standardparameter zu kennen und alles täglich rund um die Uhr zu überwachen. Der eigentliche Umstellungsprozess dauert nur etwa zweieinhalb Tage. Nach dem Einbau des Boards folgt eine kurze Wartezeit, bis das vorhandene Biozid abgeklungen ist. Danach können wir mit unseren Mikroorganismen beginnen, ohne dass unser Produkt beeinträchtigt wird.
Dein Unternehmen ist noch jung und verhältnismäßig klein. Warum sollten große Chemiekonzerne ausgerechnet auf blue activity setzen, anstatt auf etablierte Anbieter und Systeme zu vertrauen?
Der Markt braucht dringend echte Innovation – wenn wir auf die letzten 60-70 Jahre zurückblicken, wird das deutlich. Blue activity steht für eine wirkliche Innovation und nicht bloß für eine Reduzierung, die als Innovation verkauft wird.
Ein weiterer Vorteil ist, dass wir als Startup klein und agil sind. Dadurch können wir sehr schnell auf Veränderungen reagieren. Wir möchten gemeinsam mit großen Kunden weitere Erkenntnisse sammeln und Verbesserungspotenziale erschließen, die über den reinen Produktwechsel hinausgehen – etwa bei der Instandhaltung, der Verlängerung der Laufzeit von Kühltürmen, der Reduzierung von Ausfallzeiten oder der Verbesserung von CO₂-Bilanzen und Pumpenleistungen.
Dafür benötigen wir das Feedback großer Partner. Als Startup haben wir es uns zur Aufgabe gemacht, einen völlig neuen Servicegedanken zu etablieren und kontinuierliche Optimierungen voranzutreiben. Nach aktuellen Erkenntnissen liegt das Kosteneinsparpotenzial bei etwa 29%, könnte aber mit weiteren Daten noch deutlich steigen.
Welche Referenzkunden hat blue activity bereits, und welche Ergebnisse konnten bei ihnen erzielt werden?
Unsere Akquise war bisher sehr erfolgreich. Wir haben beispielsweise die BASF als Kunden gewinnen können. Im April wird bereits das vierte System bei BASF implementiert, und wir sind bereits an zwei verschiedenen Standorten aktiv. Dieser Referenzkunde ist ausgesprochen zufrieden.
Aus der Stahlbranche haben wir unter anderem die Salzgitter Stahl AG als Kunden, die ebenfalls sehr zufrieden ist. Dort konnten wir die Effizienz der Kühlturmleistung während der Behandlungsphase, die jetzt schon über zwei Jahre läuft, deutlich steigern.
Die Wasserwerte konnten in allen Fällen erheblich verbessert werden. Was unsere Kunden besonders schätzen: Sie müssen sich nach dem Wechsel zu blue activity kaum noch um den Kühlturmbetrieb kümmern, da wir diese Aufgabe komplett übernehmen. Genau diesen umfassenden Service möchten wir implementieren.
Gibt es noch etwas, was Du unseren LeserInnen mit auf den Weg geben willst?
Es wurde bereits viel erreicht, auch viel Gutes. Doch jetzt ist die Zeit gekommen – sowohl marktbedingt als auch aufgrund der klimatischen Bedingungen – völlig neue Wege zu gehen. Wir brauchen ein komplettes Umdenken und mehr Offenheit gegenüber innovativen Startup-Lösungen.
Blue activity ist eine von vielen Lösungen, die dazu beitragen kann, die Verschmutzung unserer Wasserressourcen zu reduzieren – nicht nur des Grundwassers, sondern der Wasserqualität generell. Unser Prinzip: Was wir nicht in die Umwelt eintragen, müssen wir später nicht aufwändig aus unserem Wasser entfernen.
Wir brauchen gute Wasserqualität für unser Trinkwasser – das ist unser wertvollstes Gut. Jede noch so kleine Verbesserung in diese Richtung ist hilfreich. Daher freuen wir uns auf Kontaktaufnahmen und stehen für Gespräche bereit. Wir können schon jetzt garantieren, dass wir die aktuelle Situation definitiv verbessern können.
Lars Havighorst, Founder und CEO von blue activity war vor der Gründung 2021 über 15 Jahre in der Finanzbranche im Sales tätig, bevor er seiner Passion folgte, mehr zum Erhalt unserer Wasserressourcen wie auch einer Verbesserung deren Qualität über innovative und nachhaltige Lösungen aktiv beizutragen. Heute verantwortet er die Bereiche Finanzen, Business Development und Strategie bei der blue activity GmbH.
Video zum Interview
Translated with ChatGPT
Youri Mesmoudi, the Executive Vice President of Taros Chemicals GmbH & Co. KG, explains in the Hot Seat interview how the company supports the pharmaceutical, biotech, agrochemical, and deep-tech industries with innovative chemical solutions. From tailored drug discovery to sustainable synthesis processes – Taros accelerates R&D projects efficiently and helps companies develop competitive and environmentally friendly solutions.
Can you give us a brief overview of Taros Discovery? What services do you offer, and which companies or industries benefit the most from your expertise?
Taros Chemicals GmbH & Co. KG is an independent, privately held contract research organization based in Dortmund, Germany. Since 1999, we have been providing customized synthesis solutions and chemical services for biotechnology, pharmaceutical, agrochemical, deep-tech, and performance materials companies.
In our “Drug Discovery” business unit, we offer the full spectrum of chemical and biological services for drug development up to the clinical phase. In our “Performance Chemicals” business unit, our scientists primarily support clients from the chemical industry and startups in the deep-tech, green-tech, and related sectors in developing new (bio-based) high-performance chemicals with enhanced properties and competitive advantages. We also assist in scaling these from the lab to production.
Additionally, we leverage our expertise and technical facilities in Germany and India to optimize and refine already established production processes for clients. This includes improving cost efficiency, process safety and robustness, and implementing more environmentally friendly synthesis methods.
Innovation plays a major role in chemical research. How does Taros Discovery support companies in developing innovative solutions and efficiently advancing their R&D projects?
Innovation drives chemical research, and Taros Discovery actively supports companies in efficiently executing their R&D projects. With our expertise in customized synthesis and computational chemistry, we develop innovative solutions for specific challenges.
By utilizing digital tools, automation, and Design of Experiments (DOE) methods, we explore and optimize molecules, develop new chemical entities, enhance synthesis processes, and produce commercial quantities at our site in India. Our goal is to be a reliable partner in enabling, accelerating, and commercializing our clients’ innovations as quickly as possible.
With over 110 employees across our locations, we actively shorten development times, minimize R&D risks for our clients, and help them achieve their market entry goals.
Sustainability is becoming increasingly important in the chemical industry. What approaches does Taros Discovery take to promote sustainable and environmentally friendly solutions in chemical research?
Alongside innovation, we work closely with our clients to integrate sustainable chemistry and circular economy principles, minimizing environmental impact and establishing long-term resource-efficient solutions.One key approach is optimizing chemical syntheses to replace hazardous solvents and streamline reaction pathways. For example, we reduce the use of toxic solvents like dichloromethane and replace them with greener alternatives such as water or biodegradable solvents.
We also improve reaction atom economy by minimizing byproducts and using raw materials more efficiently. Transitioning to milder reaction conditions—such as performing reactions at room temperature instead of high-temperature processes—significantly reduces energy consumption.
Additionally, we prioritize the use of renewable raw materials and recycling processes. Instead of relying solely on petrochemical feedstocks, we develop syntheses using bio-based raw materials such as sugars, plant oils, or even CO₂ as an alternative carbon source, where it aligns with our clients’ project goals. We also implement recycling strategies, such as solvent recovery through distillation and the regeneration of expensive catalysts like palladium or platinum, helping our clients reduce both costs and environmental impact.
Another crucial aspect of our sustainable research is reducing the amount of reactants, solvents, and energy required for a synthesis through more efficient processes. When the underlying chemistry and business case allow, we increasingly use flow chemistry, which offers more precise control over reaction conditions, saves energy, and reduces waste compared to conventional batch processes. Additionally, we incorporate enzymatic synthesis as an alternative to chemical reagents, avoiding the production of hazardous byproducts.
Our goal is to embed sustainability not just as a concept but as a fundamental part of chemical research and development. Through our innovative approaches, we offer our clients and partners environmentally friendly solutions while also providing economic and regulatory advantages.
Is there anything else you would like to share with our readers?
Recent article – “It’s Flowing in the SME Sector”: Taros, Ehrfeld, and HitecZang are helping small and medium-sized enterprises (SMEs) adopt flow chemistry and integrate it into their business in a cost-effective manner. This enables, for example, the faster production of aroma compounds while requiring less space for manufacturing facilities.
Mit einem Doppelabschluss in Betriebswirtschaftslehre von der European School of Business (ESB) der Reutlingen University und dem Centre d’Études Supérieures Européennes de Management (CESEM) in Reims bringt Youri Mesmoudi umfassende Expertise in den Bereichen Geschäftsstrategie, kommerzielle Führung und internationale Marktexpansion mit. Seit seinem Einstieg bei Taros im Jahr 2011 ergänzt er das Unternehmen mit seinem weitreichenden kaufmännischen Know-how und treibt gezielt die Geschäftsentwicklung voran. Als zentrale Kraft hinter der Expansion von Taros spielt er eine entscheidende Rolle bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens, der Stärkung von Partnerschaften und der Bereitstellung maßgeschneiderter chemischer Lösungen für Kunden aus den Bereichen Life Sciences, Biotechnologie, Material Sciences und Medizintechnik weltweit. Seit 1993 hatte Youri leitende Managementpositionen in verschiedenen Branchen inne, mit Fokus auf General Management, Finanzen, Geschäftsentwicklung und Marketing in renommierten Unternehmen wie Mercedes-Benz, NSM-Löwen der FRANKE Group und Arvato-Bertelsmann. Seine Fähigkeit, Organisationen durch strategisches Wachstum zu führen, Geschäftsprozesse zu optimieren und leistungsstarke Teams zu leiten, war dabei ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Als Entrepreneur co-gründete und skalierte er erfolgreich ein IT-Unternehmen für Web-Softwarelösungen, das über 10.000 Lizenzen in der D-A-CH-Region verkaufte. Bei Taros setzt sich Youri gezielt für Innovation, nachhaltiges Wachstum und den Einsatz neuer Technologien ein, um die Position des Unternehmens in der chemischen Forschung und Produktion weiter zu stärken und nachhaltig auszubauen.
Mit ChatGPT übersetzt
Heute begrüßen wir Denys Shevchenko, den CEO des Start-ups Copper Lavender, auf unserem Hot Seat. Denys erklärt uns die Technologie von Copper Lavender.
Hallo Denys, euer Start-up wandelt CO₂ in Acetylen um – einen wichtigen Baustein für die chemische Industrie. Wie unterscheidet sich eure Technologie von anderen CO₂-Nutzungsansätzen, und welche spezifischen Vorteile bietet euer Unternehmen der chemischen Industrie?
Bis zu einem gewissen Grad ähnelt unser Ansatz anderen Unternehmen, die an der elektrochemischen Umwandlung von CO₂ zu Ethylen arbeiten – einem Chemikalienprodukt mit hohem Marktvolumen, das als Ausgangsmaterial für viele Kunststoffe dient.
Unser entscheidender Unterschied liegt jedoch in der Wahl unserer Plattform-Moleküle. Anstatt Ethylen ins Visier zu nehmen, das zwar einen riesigen Markt hat, aber erst bei großskaliger Produktion rentabel wird, konzentrieren wir uns auf Acetylen. Acetylen ist eine Basischemikalie mit einem kleineren Markt, aber einem direkten Zugang zu hochpreisigen Spezialchemikalien.
Bei der Kommerzialisierung einer Labortechnologie ist die beste Strategie, möglichst früh Umsätze zu generieren. Das bedeutet, dass niedrige Produktionsmengen mit hohen Margen Priorität haben – und genau das ermöglicht Acetylen. Acetylen ist bereits ein etablierter Baustein in der chemischen Industrie und wird zur Herstellung von Parfums, Pharmazeutika, Kunststoffen und Beschichtungen verwendet. Unser erster Markteintritt erfolgt in den Bereichen Parfümerie und Pharmaindustrie, wo die Nachfrage nach nachhaltigen Inhaltsstoffen steigt und Premiumpreise eine frühe Kommerzialisierung ermöglichen.
Wir haben jedoch nicht vor, dort stehen zu bleiben. Unser langfristiges Ziel ist es, die Produktion zu skalieren und in größere Märkte wie Kunststoffe und fortschrittliche Materialien zu expandieren, sodass unser CO₂-basiertes Acetylen zu einer Mainstream-Alternative zu fossilen Chemikalien wird. Indem wir mit hochwertigen, niedrigvolumigen Anwendungen beginnen und schrittweise expandieren, bauen wir einen skalierbaren und wirtschaftlich nachhaltigen Weg zu einer wirklich fossilfreien Chemieindustrie auf.
Für Unternehmen in der chemischen Industrie bieten unsere CO₂-basierten chemischen Produkte eine nahtlose, drop-in-fähige Alternative zu fossilen Chemikalien. Sie ermöglichen eine Reduktion des CO₂-Fußabdrucks, ohne Änderungen an bestehender Infrastruktur, Produktionsmethoden oder Lieferketten zu erfordern. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre Scope-3-Emissionen senken und ihre Geschäftsmodelle zukunftssicher gestalten können, ohne bei Leistung, Qualität oder Wirtschaftlichkeit Abstriche machen zu müssen.
Von der Parfümerie bis zur Pharmaindustrie – eure acetylenbasierten Produkte haben vielfältige Anwendungen. Welche konkreten Kooperationsmöglichkeiten seht ihr mit der deutschen Chemieindustrie, und wie könnten beide Seiten von solchen Partnerschaften profitieren?
Die Vernetzung mit der deutschen Chemieindustrie ist für uns eine strategische Entscheidung. Deutschland hat eine lang etablierte Acetylen-Wertschöpfungskette, insbesondere durch BASF und die Pionierarbeit von Prof. Walter Reppe, der in den 1930er-1950er Jahren die industrielle Chemie von Acetylen vorantrieb. Das bedeutet, dass wir deutschen Chemikern nicht erst erklären müssen, warum Acetylen ein wichtiger Rohstoff ist – sie kennen bereits seine Bedeutung und Vielseitigkeit.
Zudem hat Deutschland eine starke Tradition in der Duft- und Aromenindustrie, mit Unternehmen wie Symrise, dessen 150-jährige Geschichte auf die Gründung der Haarmann & Reimer Vanillinfabrik im Jahr 1874 zurückgeht. Dadurch ist Deutschland ein idealer Standort für Kooperationen, da sowohl die industrielle Infrastruktur als auch die Marktnachfrage für acetylenbasierte Produkte bereits vorhanden sind.
Deutsche Unternehmen können von unserer Technologie profitieren, da sie als drop-in-Lösung funktioniert – sie erfordert keine Änderungen an bestehenden chemischen Prozessen. Unternehmen können einfach von fossilen Rohstofflieferanten zu unseren erneuerbaren Alternativen wechseln, ohne ihre Infrastruktur, Technologie oder Produktionsmethoden anpassen zu müssen. Unser CO₂-basiertes Acetylen und die ersten nachgelagerten Produkte wie 1,4-Butandiol und 2-Methyl-3-butyn-2-ol sind chemisch identisch mit ihren fossilen Gegenstücken. Dies ermöglicht es deutschen Chemieunternehmen, ihre Produkte nachhaltiger und fossilfrei zu gestalten, ohne operative Unterbrechungen, und gleichzeitig ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Euer Unternehmen hat sich verpflichtet, bis 2040 vollständig fossilfrei zu werden. Wie sieht eure Roadmap aus, und welche Rolle spielen Partnerschaften mit etablierten Chemieunternehmen dabei?
Ich bin überzeugt, dass es einfacher ist, ein fossilfreies Unternehmen von Grund auf zu entwickeln, als ein bestehendes Unternehmen umzustellen. Etablierte Chemieunternehmen haben komplexe Lieferketten und langjährige Prozesse, die auf fossilen Rohstoffen basieren, wodurch die Umstellung auf fossilarme Alternativen langsam und teuer wird. Als junges Unternehmen haben wir diese Einschränkungen nicht. Stattdessen haben wir die Freiheit, von Anfang an die richtigen Entscheidungen zu treffen und sicherzustellen, dass fossilarme Alternativen direkt in unsere Abläufe integriert werden, anstatt sie später aufwendig nachzurüsten.
Ein Beispiel: Wir können von Anfang an Verträge für 100 % erneuerbaren Strom abschließen – in Schweden, wo unser Hauptsitz liegt, wird bereits 98 % der Elektrizität fossilfrei produziert. Unser Prozess zur Umwandlung von CO₂ in Acetylen benötigt keine fossilen Chemikalien, wodurch wir eine starke Ausgangsposition haben.
Dennoch ist die vollständige Transformation der chemischen Industrie eine gemeinschaftliche Aufgabe. Hier kommen Partnerschaften mit etablierten Chemieunternehmen ins Spiel. Unser Ziel ist es, fossilarme Chemikalien anzubieten, die Unternehmen dabei helfen, ihre Kohlenstoffverpflichtungen zu reduzieren – insbesondere im Bereich der Scope-3-Emissionen, die in ihren Lieferketten entstehen – ohne dass große Investitionen in neue Infrastruktur erforderlich sind.
Gleichzeitig wissen wir als junges Chemieunternehmen, dass wir von der Erfahrung etablierter Akteure profitieren können. Ein besseres Verständnis dafür, welche Chemikalien den größten Einfluss haben, hilft uns, die effektivsten Lösungen zu priorisieren und den Wandel hin zu einer nachhaltigen Zukunft zu beschleunigen.
Denys Shevchenko hat einen Doktortitel in Koordinationschemie von der Universität Kiew, Ukraine. Von 2009 bis 2011 war er Marie-Curie-Individualstipendiat im Schwedischen Konsortium für künstliche Photosynthese, wo er Katalysatoren für die lichtgetriebene Wasseroxidation entwickelte und so zur Forschung im Bereich nachhaltiger Energie beitrug. Im Jahr 2022 gründete er Copper Lavender mit der Mission, die chemische Industrie zirkulär zu gestalten, indem CO₂ als erneuerbare Kohlenstoffquelle genutzt wird, um fossile Rohstoffe zu ersetzen. Vor der Gründung von Copper Lavender sammelte Denys umfassende Erfahrung in Auftragsforschung, analytischer Chemie, Massenspektrometrie und Toxikologie bei Recipharm, einem führenden internationalen CDMO.
Im Hot Seat spricht Amelie Reigl (@dieWissenschaftlerin) nicht nur von ihrer Projektleitung bei TigerShark Science, wo sie menschliche Hautmodelle entwickelt, sondern erklärt uns auch wie wichtig die Kommunikation von Wissenschaft und dessen Prozessen ist.
Liebe Amelie, danke, dass Du Dich unseren Fragen stellst. Du bist in eine neue Position am Fraunhofer ISC TLZ-RT gekommen. Kannst Du uns erzählen, was dieses Projekt für Ziele und Herausforderungen hat und welche Relevanz dieses Projekt für dich bzw. die Gesellschaft hat?
In meiner neuen Position am Fraunhofer ISC TLZ-RT liegt der Fokus darauf, komplexe Hautmodelle zu entwickeln, die Tierversuche in der Forschung reduzieren können. Unser Ziel ist es, realistische, menschliche Hautmodelle zu schaffen, die nicht nur ethisch vertretbar sind, sondern auch wissenschaftlich zuverlässigere Ergebnisse liefern. Die größte Herausforderung besteht dabei darin, die Modelle standartisiert und skalierbar zu gestalten, damit sie die Hautfroschung in Kosmetik- und Pharmaindustrie wirklich verbessern können.
Das Fraunhofer ist oft eine Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Anwendung. Gibt es schon jetzt oder zukünftig konkrete anwendungsbezogene Kooperationen? Wenn ja, welche?
Ja, definitiv! Wir arbeiten eng mit Pilotkunden aus der Kosmetik- und Pharmaindustrie zusammen, um unsere Hautmodelle gezielt auf ihre Bedürfnisse abzustimmen. Diese Kooperationen sind entscheidend, um sicherzustellen, dass die Modelle nicht nur im Labor, sondern auch in der Praxis bestehen. Ein Beispiel ist die Anwendung unserer Hautmodelle zur Testung von Haarwachstumsprodukten in der Kosmetik oder zur Untersuchung von Nebenwirkungen bei der Mediakmentenentiwcklung mit einem weltweitführenden Pharmaunternehmen. Zudem planen wir, die Zusammenarbeit mit Partnern im Bereich der personalisierten Medizin zu erweitern, um innovative Therapien für Hauterkrankungen zu entwickeln.
Viele kennen Dich unter dem Namen “@dieWissenschaftlerin” auf beispielsweise TikTok mit über 400.000 Followern. Was hat dich zu dieser Art der Kommunikation gebracht? Welchen Stellenwert hat für Dich die Wissenschaftskommunikation und welchen Raum nimmt sie im Alltag ein?
Wissenschaftskommunikation ist für mich eine absolute Leidenschaft. Ich möchte zeigen, dass Forschung nicht abstrakt oder elitär ist, sondern unser tägliches Leben prägt. TikTok und andere Plattformen bieten die Möglichkeit, komplexe Themen einfach und unterhaltsam zu vermitteln. Gerade junge Menschen können so für Wissenschaft begeistert werden. Für mich ist es eine Balance: Mein Alltag ist geprägt von meiner Forschung, aber die Kommunikation ist der Schlüssel, um diese Forschung auch für die Gesellschaft sichtbar und zugänglich zu machen. Mit dem Format “Der Alltag einer Wissenchaftlerin” nehme ich meine Follower wirklich mit ins Labor und zeige ihnen was ich als Forscherin mache.
Denkst Du, dass insgesamt mehr Wissenschaft oder auch Anwendungen von beispielsweise Start-ups kommuniziert werden müsste? Welche Vorteile hätte das?
Absolut! Wissenschaft und Innovation bleiben oft in Fachkreisen hängen, dabei hat die Öffentlichkeit ein großes Interesse daran. Eine stärkere Kommunikation würde helfen, Vorurteile abzubauen, Transparenz zu schaffen und Vertrauen in wissenschaftliche Entwicklungen zu fördern. Besonders Start-ups könnten durch eine klare Kommunikation nicht nur Aufmerksamkeit für ihre Lösungen gewinnen, sondern auch potenzielle Partner und Investoren überzeugen. Gleichzeitig bietet es der Gesellschaft die Möglichkeit, von neuen Technologien zu profitieren und aktiv an der Innovationslandschaft teilzuhaben.
Gibt es noch etwas, was Sie unseren LeserInnen mit auf den Weg geben wollen?
Wissenschaft lebt von Neugier und Zusammenarbeit. Mein Rat an alle: Hinterfragt, lernt, und lasst euch begeistern – sei es durch Forschung, Technologie oder einfach durch die kleinen Wunder des Alltags. Und wenn ihr euch fragt, wie ihr selbst einen Beitrag leisten könnt: Bleibt neugierig!
Amelie Reigl (30) ist Biologin und Projektleiterin von TigerShark Science, einem Start-up, das menschliche Hautmodelle im Labor züchtet, um Tierversuche zu reduzieren. Mit ihrem Team plant sie die Ausgründung, um innovative Alternativen für Medizin und Kosmetik zu entwickeln.
Neben ihrer Forschung betreibt sie als @dieWissenschaftlerin Wissenschaftskommunikation auf TikTok und Instagram, wo sie über 400.000 Follower begeistert und Einblicke in Forschung und den Alltag einer Wissenschaftlerin gibt.
Aron Handreke, Gründer & CEO von ContainerGrid, erklärt uns im Interview wie seine Firma die Kreislaufwirtschaft fördert und welche Herausforderungen adressiert werden. Dabei geht er unter Anderem auf die wachsende Rolle der Digitalisierung ein.
Lieber Aron Handreke, kannst du uns kurz erklären, wer ihr seid und was ContainerGrid macht? Welches Problem in der Abfallwirtschaft möchtet ihr lösen?
Bei ContainerGrid entwickeln wir eine digitale Plattform, die Unternehmen dabei unterstützt, ihre End-of-Life-Ressourcen effizient und kostengünstig wieder in die Lieferkette zu integrieren. Wir adressieren die Herausforderungen hoher Beschaffungskosten und der oft begrenzten Qualität zirkulärer Rohstoffe, indem wir Unternehmen ermöglichen, ihre eigenen Produkte am Lebensende gebündelt und strukturiert zurückzuführen. Unsere Plattform schafft Transparenz und vereinfacht komplexe Prozesse, wodurch eine skalierbare und nachhaltige Kreislaufwirtschaft realisierbar wird.
Wie unterscheidet sich eure Cloud-basierte Softwarelösung von herkömmlichen Ansätzen im Abfallmanagement?
Im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen, die Prozesse nur innerhalb einzelner Unternehmen optimieren, ermöglicht unsere Plattform eine unternehmensübergreifende Koordination der Kreislaufwirtschaft. Darüberhinuas hatten unsere Kunden nur begrenzte Kontrolle darüber, was mit ihren Produkten am Lebensende geschieht, obwohl diese oft die idealen Rohstoffe für neue Produkte liefern, da sie bereits die erforderlichen Qualitätsstandards erfüllen. Die Rückführung eigener Produkte verbessert zudem die Versorgungssicherheit – ein entscheidender Vorteil in Zeiten geopolitischer Unsicherheiten. Unsere Plattform macht Closed-Loop-Recycling-Systeme skalierbar und vollständig nachverfolgbar, was ohne eine solche Lösung kaum realisierbar wäre.
Die Digitalisierung der Abfallwirtschaft schreitet voran. Wo seht ihr die größten Herausforderungen und Chancen in diesem Bereich?
Die Digitalisierung der Abfallwirtschaft steht vor der Herausforderung, eine sehr fragmentierte Branche mit vielen unterschiedlichen Akteuren – von großen Konzernen bis zu kleinen Unternehmen – zu verbinden. Dadurch gibt es sehr unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen an digitale Lösungen. Eine wichtige Aufgabe ist es, Systeme zu entwickeln, die flexibel genug sind, um alle Bedürfnisse abzudecken, und gleichzeitig die Prozesse effizienter machen.
Die größte Chance besteht darin, diese Fragmentierung durch Plattformen zu überwinden, die alle Beteiligten der Kreislaufwirtschaft vernetzen. Mit unserer Erfahrung, sowohl in großen Konzernen als auch im mittelständischen Recyclingsektor, bieten wir eine Lösung, die auf die jeweiligen Bedürfnisse eingeht und eine Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg ermöglicht. Das schafft die Grundlage für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, die Kosten senkt, Transparenz erhöht und Prozesse vereinfacht.
An welche Zielgruppen richtet sich eure Lösung primär und wie profitieren diese davon?
Unsere Lösung richtet sich vor allem an Unternehmen, die Verantwortung für ihre Produkte am Ende des Lebenszyklus übernehmen möchten. Dazu gehören Hersteller, die ihre Versorgungssicherheit verbessern wollen, indem sie ihre Produkte effizient in die Lieferkette zurückführen. Außerdem profitieren Unternehmen, die eine vollständige Nachverfolgbarkeit über den gesamten Lebenszyklus ihrer Materialien anstreben. Unsere Plattform fördert die Zusammenarbeit aller Beteiligten und macht Prozesse in der Kreislaufwirtschaft transparenter und effizienter.
Gibt es noch etwas, was Ihr unseren LeserInnen mit auf den Weg geben wollen?
Die Kreislaufwirtschaft kann nur durch enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette erfolgreich gestaltet werden. Dafür ist es entscheidend, dass Unternehmen ihre Kräfte bündeln und gemeinsam an Lösungen arbeiten. Wenn Sie Interesse an einem Pilotprojekt haben oder mehr über unsere Plattform erfahren möchten, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme. Gemeinsam können wir nachhaltige und effiziente Prozesse entwickeln, die den Übergang zu einer echten Kreislaufwirtschaft ermöglichen.
Aron ist Gründer und CEO von ContainerGrid. Als Volkswirt mit Abschlüssen der Erasmus Universiteit Rotterdam und der HEC Paris sowie mehrjähriger Erfahrung in der Kreislaufwirtschaft bringt er eine systemische Perspektive mit, um deren komplexe Herausforderungen zu adressieren. 2021 hat er gemeinsam mit dem ContainerGrid-Team die Mission gestartet, eine skalierbare und nachhaltige Kreislaufwirtschaft aufzubauen.
Hot Seat: Wim Noorduin – Mit leuchtender Wissenschaft gegen Blei
Im heutigen “Hot Seat” begrüßen wir Wim Noorduin, führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der selbstorganisierenden Materialien und Mitbegründer von Lumetallix. Mit innovativer Technologie zur Bleidetektion macht er unsichtbare Umweltgefahren sichtbar und zeigt, wie Forschung direkt zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen kann.
Wim, Sie sind Mitbegründer von Lumetallix, einem Unternehmen, das Testkits zur sofortigen Bleierkennung anbietet. Können Sie uns ein wenig über Ihr Unternehmen und das wissenschaftliche Konzept dahinter erzählen?
Gemeinsam mit meiner Forschungsgruppe am AMOLF haben wir bei Lumetallix eine neue Methode zur Detektion des chemischen Elements Blei entwickelt. Der Kern der Idee ist, dass Blei in der Umwelt in einen Perowskit-Halbleiter umgewandelt wird, der ein hellgrünes Licht aussendet. So ist es leicht zu erkennen, wo sich Blei befindet. Wichtig ist, dass verschiedene Formen von Blei in den photolumineszenten Perowskit reagieren, während andere Metalle – selbst solche, die Blei sehr ähnlich sind, wie Zinn – nicht in eine lumineszierende Spezies reagieren. Außerdem ermöglicht die starke Photolumineszenz des Perowskits, selbst Nanogramm von Blei mit bloßem Auge zu erkennen.
Diese Kombination aus hoher chemischer Selektivität und Empfindlichkeit macht den Test besonders attraktiv. Dazu haben wir ein Testkit entwickelt, das Tropfflaschen und Sprühflaschen mit einem Reagenz enthält, um den Perowskit zu bilden, sowie UV-Licht, um die Photolumineszenz auszulösen. Der Test ist sehr einfach durchzuführen und liefert fast sofortige Ergebnisse, sodass er sich hervorragend für schnelle Screenings und die Kartierung von Bleivorkommen in der Umwelt eignet
Als Experte für selbstorganisierende Materie, insbesondere Kristallisationsprozesse, wie kamen Sie auf diese Idee?
Ich wurde durch eine Nachrichtensendung in Amsterdam auf das Problem der Bleibelastung aufmerksam. Dort berichtete man über Menschen, die durch Trinkwasserleitungen aus Blei eine Bleivergiftung erlitten. Ich war überrascht, dass dies immer noch ein Problem ist, und begann, mich in die Literatur einzuarbeiten. Zu der Zeit veröffentlichten UNICEF und Pure Earth – die größte NGO für Bleiverschmutzung – einen Bericht mit dem Titel „The Toxic Truth“. Dieser Bericht war für mich ein Augenöffner. Er besagt, dass weltweit etwa jedes dritte Kind – über 800 Millionen Kinder – an Bleivergiftung leidet. Das ist dramatisch, denn Bleivergiftung kann eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen verursachen, darunter schwere und dauerhafte Hirnschäden. Besonders interessant war, dass der Bericht erklärte, dass die Bleidetektion der erste wesentliche Schritt zur Vermeidung von Bleivergiftungen ist, diese aber immer noch sehr schwierig ist.
Das brachte mich zum Nachdenken, vor allem über unsere Forschung an Perowskit-Halbleitern. Ich fragte mich, ob wir Blei aus der Umwelt in einen Perowskit-Halbleiter umwandeln könnten. Genau zu der Zeit kam der Lockdown durch COVID, und ich saß zu Hause fest. Mein Doktorand Lukas Helmbrecht hatte bereits intensiv an Perowskiten gearbeitet. Er schickte mir Chemikalien, und ich begann, Experimente zu Hause durchzuführen. Nach vielen unklaren Ergebnissen sprühte ich eine Perowskit-Vorläuferlösung auf das Dach meiner Nachbarn, um zu sehen, ob das Blei aus der Dachverkleidung reagieren würde. Das funktionierte wunderbar – das ganze Dach leuchtete hellgrün. Noch überraschender war, dass auch die Farbe des Fensterrahmens leuchtete. Es stellte sich heraus, dass es sich um bleihaltige Farbe handelte, die wir in einen photolumineszenten Perowskit umwandeln konnten. Diese zufällige Entdeckung löste eine ganze Reihe von Ereignissen aus. Meine Gruppe untersuchte die Empfindlichkeit und Selektivität des Tests, und parallel begannen wir, den Test in verschiedensten Bereichen anzuwenden – von Wasserleitungen und Kunststoffen bis hin zu Geschirr, Kinderspielzeug und vielen anderen Alltagsgegenständen.
Warum ist Blei ein Problem? Wofür wurde es verwendet, und welche Risiken birgt Bleiverunreinigung?
Das Problem mit Blei ist, dass es giftig ist. Eine Bleivergiftung kann eine ganze Reihe sehr ernsthafter Gesundheitsprobleme verursachen, von IQ-Verlust und Verhaltensproblemen bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Tod. Zwar stirbt man nicht sofort an einer Bleivergiftung, doch es ist so giftig, dass mittlerweile Einigkeit darüber besteht, dass es keine sichere Bleikonzentration gibt. Blei wird jedoch in vielen Bereichen eingesetzt, weil es billig ist und interessante Eigenschaften hat. Beispielsweise finden wir viel Blei in Glasuren von Geschirr, in Kunststoffen als Stabilisator und in Farben als Pigment.
Das Schwierige ist, dass Blei ein chemisches Element ist und sich daher nicht abbaut, sondern über lange Zeiträume Probleme verursachen kann, bis jemand das Blei entdeckt. Unser Test wurde beispielsweise verwendet, um Bleiverschmutzungen durch illegales Batterierecycling in Indien aufzudecken. Das Problem ist, dass man, sobald man die Bleiverunreinigung gefunden hat, entweder das Blei entfernen, es isolieren oder Menschen warnen muss, sich von dem verschmutzten Ort fernzuhalten. Der Umgang mit Bleiverunreinigung ist also ein komplexes, facettenreiches Problem. Daher arbeiten wir mit Fachleuten zusammen, die sich auf diese Probleme spezialisiert haben. Das Gute an unserem Test ist, dass das Problem jetzt direkt sichtbar wird.
Welche Anwendungsbereiche hat die von Ihnen entwickelte Technologie?
Es gibt viele Anwendungen, und wir entdecken immer wieder neue. Die Erkennung von Blei ist besonders interessant, um Bleiverschmutzung zu finden und so Bleivergiftungen zu verhindern. Schön an dem Test ist, dass er sehr skalierbar ist – Bürger können selbst testen – und dann von Experten beraten werden. Besonders ist, dass der Test die Gefahr direkt sichtbar macht. Das kann auch zur Aufklärung über Bleivergiftung und für Aktivismus genutzt werden, um Veränderungen zu unterstützen, indem gezeigt wird, wo gefährliche Bleiverunreinigungen vorliegen.
Was war der kurioseste Gegenstand, bei dem Sie bisher eine positive Bleikontamination festgestellt haben?
Oh, da gab es einige Überraschungen. Zum Beispiel einige brandneue Espressotassen, die ich in Deutschland gekauft habe. Ich war überrascht, weil diese Tassen in Europa hergestellt wurden. Auch eine Ecke der Küchenarbeitsplatte meiner Eltern war mit Bootslack beschichtet, der Blei enthielt. Und unser Hinterhof wurde mit Bleistaub bedeckt, als die Nachbarn ihre alte Farbe abschliffen.
Gehen Sie noch ohne ein Testkit aus dem Haus?
Natürlich nicht! Es gibt einfach zu viel Blei zu entdecken, und es ist gleichzeitig aufregend und beängstigend, zu sehen, wie alltägliche Gegenstände plötzlich grün leuchten.
Wim Noorduin leitet die Forschungsgruppe „Self-Organizing Matter“ am AMOLF und ist Professor mit besonderem Auftrag an der Universität Amsterdam. Er ist Mitbegründer und derzeit wissenschaftlicher Berater von Lumetallix, einem Unternehmen, das innovative photolumineszente Technologien zur Visualisierung und Bekämpfung von Bleiverunreinigung entwickelt.
Noorduins Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung physikalisch-chemischer Strategien zur Selbstorganisation komplexer Materialien und neuer chiraler Amplifikationsmethoden für die Synthese enantiomerenreiner Bausteine.
Derzeit umfasst seine Arbeit neue Ansätze zur Steuerung der Kristallisation, der Materialzusammensetzung, der Form und der hierarchischen Organisation mineralisierter Strukturen sowie die Entwicklung von physikalisch-chemischen Rückkopplungsmechanismen zur Selbstkorrektur und Verstärkung der Entstehung von Komplexität.
Der Text wurde mithilfe digitaler Hilfsmittel aus dem Englischen übersetzt.
Die deutsche Chemiebranche steht aktuell vor einer Vielzahl an Herausforderungen, die sowohl geopolitische als auch strukturelle Faktoren umfassen: fragile Lieferketten, hohe Energiekosten und regulatorische Anforderungen treffen insbesondere kleinere Unternehmen hart. Gleichzeitig bedrohen Überkapazitäten und Fachkräftemangel die Wettbewerbsfähigkeit.
Im Hot Seat beleuchtet Dr. Hermann Schiegg von Santiago Advisors mit uns diese zentralen Fragen: Welche Maßnahmen sind notwendig, um die Branche zukunftsfähig zu machen? Und wie können Unternehmen eigene Stärken nutzen, um den Wandel zu meistern?
Was sind aktuell die größten Herausforderungen für den Chemiestandort Deutschland?
Es gibt eine Reihe von Faktoren, die wir regelmäßig sehen: Die angespannte geopolitische Lage mit fragilen Lieferketten, die kostenintensive Umstellung der Energieversorgung bei gleichzeitigen Unsicherheiten im Netzausbau, die selbst auferlegten Standards der grünen Transformation. Parallel dazu belastet ein hoher bürokratischer Aufwand vor allem kleine und mittlere Unternehmen.
Insgesamt zeigt auch die geringe Investitionsbereitschaft aus dem Ausland und der Nettoinvestitionsabfluss, dass wir derzeit nicht in der Lage sind, unseren „Hochlohn- und Wenigarbeitsstandort“ durch andere günstige Rahmenbedingungen zu verteidigen. Branchenintern wird dies durch die weltweit vorhandenen Überkapazitäten verstärkt, da diese den Druck auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhöhen. Auch der demografische Wandel und der Fachkräftemangel machen sich in der Chemie bemerkbar und erfordern Anpassungsmaßnahmen.
Trotzdem möchte ich kein hoffnungsloses Bild zeichnen. Wer die Transformation aktiv mitgestaltet, kann dadurch Wettbewerbsvorteile erhalten, neue erzielen und damit langfristig profitieren.
Welche dieser Herausforderungen können wir selbst lösen?
Vor dem Hintergrund der vielfältigen Herausforderungen muss sich jedes Chemieunternehmen auf die eigenen Stärken besinnen. Darauf aufbauend kann ein strategisches Zielbild entwickelt und umgesetzt werden – was im Detail sehr unterschiedlich aussehen kann.
Es kann beispielsweise bedeuten, noch fokussierter auf Innovation und Spezialitäten zu setzen. Oder eine tiefere Integration in die Wertschöpfungsketten attraktiver Kundenbranchen anzustreben. Es kann bedeuten, sich stärker für Start-up-Kooperationen zu öffnen und sich dafür zu engagieren, dass die Wege zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kürzer werden. Ebenso kann es sinnvoll sein, gezielt in profitable Bereiche und Regionen mit nachhaltiger Wachstumsperspektive stärker zu investieren, während weniger erfolgreiche Teile abgebaut oder verkauft werden. Eine Professionalisierung dieser Entscheidungen hilft, die Unternehmensstruktur zukunftsfähiger zu gestalten. Und, so ehrlich muss man sein, für manchen Standort kann es auch bedeuten, dass eine Stilllegung – im Blick auf das Gesamtunternehmen – die beste Option ist.
Was stimmt Sie zuversichtlich, dass dieser Wandel tatsächlich gelingen kann?
Die Erfahrung aus vergangenen Zeiten stimmt mich zuversichtlich. Die deutsche Industrie ist immer wieder gestärkt aus tiefen Krisen hervorgegangen. Zudem nehme ich derzeit in vielen Unternehmen wahr, dass der konstruktive Geist des “Wir packen’s an” zurückgekehrt ist beziehungsweise besonders herausgestellt wird. Bereits heute gibt es zahlreiche Initiativen, die zeigen, dass der Wandel möglich ist. Seien es Investitionen in grüne Technologien oder Kooperationen mit der Wissenschaft – der Mut und die Innovationskraft sind da.
Und nicht zuletzt häufen sich in jüngster Zeit auch Äußerungen aus der Politik, die auf eine Unterstützung dieser internen Anstrengungen durch verbesserte äußere Rahmenbedingungen hoffen lassen. Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland als Wirtschaftsnation auf eine starke Industrie nicht verzichten kann. Und ich habe das Gefühl, dass dies zunehmend wieder von der Mehrheit so gesehen wird.
Gemeinsam mit Santiago Advisors diskutieren wir im Rahmen unseres Spotlights am 10.Dezember 2024 die Zukunft des Chemiestandorts Deutschland mit Impulsvorträgen von Dr. Hermann Schiegg und Dr. Bernhard Langhammer (ChemDelta Bavaria) sowie einer moderierten Podiumsdiskussion mit einem Panel an Expertinnen und Experten aus der Bayerischen Chemieindustrie. Teilnehmende sind eingeladen, Fragen zu stellen und mitzudiskutieren.
📅 10.12.2024
🕧 10:30 Uhr – 12:30 Uhr
🚩 Teams Webinar
Die Veranstaltung ist für Sie kostenfrei.
Dr. Hermann Schiegg (53) ist Mitgründer von Santiago Advisors und seit mehr als zwei Jahrzehnten als Top-Management-Berater tätig. Seine Schwerpunkte liegen in der Strategie- und Organisationsentwicklung mit einem Fokus auf Chemiestandorte. Darüber hinaus ist er Experte für Personal- und Innovationsmanagement und berät sowohl mittelständische Unternehmen als auch internationale Industriekonzerne.
Santiago Advisors ist eine Top-Management-Beratung für Strategie und Organisation. Seit ihrer Gründung im Jahr 2008 unterstützt sie mit über 50 Beratern von Deutschland aus das Wachstum globaler Marktführer, insbesondere in der Chemie-, Life-Sciences- und Hightech-Industrie. Santiago Advisors entwickelt ganzheitliche, innovative und tragfähige Konzepte, die durch die Kombination von konzeptioneller Stärke mit datengestützten Methoden sowie einer engen Zusammenarbeit mit ihren Kunden entstehen.
Mit einer Pre-Seed-Finanzierung von 1,7 Millionen Euro startet das Münchner KI-Startup ExoMatter in die nächste Wachstumsphase. Wir gratulieren Barbara Bachus und Josua Vieten, die gemeinsam ExoMatter gegründet haben zum erfolgreichen Abschluss der Finanzierungsrunde.
Aus gegebenem Anlass begrüßen wir ExoMatter Co-Founderin Barbara Bachus auf unserem Hot Seat, um über ihre Plattform für digitale Materialentwicklung zu sprechen.
Im Rahmen unseres nächsten Spotlights am 19.11. besteht darüber hinaus die Gelegenheit, die Technologie von ExoMatter im Webinar live zu erleben. Dort stehen Ihnen Josua Vieten Rede und Caicedo-Dávila, dem Leiter des Delivery Teams, Antwort.
Viele Unternehmen in der chemischen Industrie stehen vor der Herausforderung, ihre Materialentwicklung nachhaltiger und effizienter zu gestalten. Wie genau unterstützt sie die ExoMatter-Plattform dabei?
Die ExoMatter Plattform bietet Chemikern, Physikern und Materialwissenschaftlern Zugriff auf Millionen von Materialien. Unser Team reichert diese Materialien mit Hilfe von Machine Learning in 5 Bereichen an: chemische, physikalische und technische Eigenschaften sowie Kosten und Nachhaltigkeit. Die Eigenschaften können dann als Suchkriterien genutzt oder gezielt für das jeweilige Projekt berechnet werden, um eine Liste der am besten geeigneten Materialien für jede Anwendung zu ermitteln.
Die erste Phase der Materialsuche kann somit digitalisiert werden und nachfolgende Laborexperimente können sich auf die vielversprechendsten Materialkandidaten konzentrieren ohne unnötige Schleifen zu ziehen. Das bedeutet eine enorme Reduktion der Entwicklungszeit, sowie auch der damit verbundenen Ressourcen. Nachweilich können die Entwicklungskosten bis zu 90% gesenkt werden.
Der Nachhaltigkeitsaspekt – insbesondere die Abfrage der CO₂-Bilanz eines Materials – spielt in der Zusammenarbeit für unsere Kunden häufig eine zentrale Rolle. ExoMatter unterstützt sie dabei, neue, innovative Materialien schneller und kosteneffizienter auf den Markt zu bringen.
Die Entwicklung neuer Materialien dauert traditionell oft Jahre und bindet viele Ressourcen. Könnt ihr uns an einem konkreten Beispiel erläutern, wie sich der Entwicklungsprozess mit ExoMatter beschleunigt?
Das ist genau der Punkt: Die Materialentwicklung kann gerne bis drei, vier oder gar fünf Jahre in Anspruch nehmen. Weder mittelständische Unternehmen noch DAX-Konzerne haben heute diese Zeit. Häufig werden wir angesprochen, wenn ein dringender Bedarf besteht, zum Beispiel wenn neue EU-Vorschriften in Kraft treten und umgesetzt werden müssen oder bei Lieferengpässen – wie während der Pandemie oder aufgrund geopolitischer Veränderungen und des Klimawandels. Hier ist schnelles Handeln gefragt, und die Materialforschung mit ExoMatter ermöglicht dank des Zugriffs auf Millionen von Materialien innerhalb von Sekunden einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.
Nehmen wir als konkretes Beispiel die Herstellung von Gefriertruhen. Geräte, die vor 5 Jahren das Energieeffizienzlabel A+++ erzielt hatten, werden nun in einer neuen Einteilung auf B, C oder gar D eingestuft. Sinn der neuen Messlatte ist es, Hersteller zu animieren, effizientere Geräte zu entwickeln, um so wieder die gewohnte Alpha-Position erreichen zu können. Innovative Materialien sind der entscheidende Schritt auf diesem Weg, ebenso eine kurze Entwicklungszeit. Hier kann ExoMatter Herstellern schnell und problemlos einen gewaltigen Vorteil verschaffen.
Viele Mittelständler scheuen noch den Einstieg in KI-gestützte Prozesse. Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen erfüllen, um die Plattform nutzen zu können, und wie gestaltet sich die Integration in bestehende Entwicklungsprozesse?
Das ist das Schöne an ExoMatter. Unsere Kunden profitieren von den Materialeigenschaften, die unsere Algorithmen bereits im Voraus berechnet haben. Sie können auf der Plattform aber auch nach eigenen Zielvorgaben detaillierte Materialeigenschaften in Sekundenschnelle berechnen lassen – und das ganz ohne eigene KI-Experten einstellen oder ausbilden zu müssen.
Die Plattform ist benutzerfreundlich, und Forscher können mühelos eine Vielzahl von Kriterien parallel abfragen. So lassen sich iterative Suchprozesse vermeiden, bei denen man möglicherweise erst nach mehreren Durchläufen entdeckt, dass eine Eigenschaft wie beispielsweise Beschaffungskosten ein K.O.-Kriterium darstellt.
ExoMatter ist im SaaS-Modell verfügbar. Das bedeutet, dass bereits ein einfacher Internetbrowser ausreicht, um auf die Plattform zuzugreifen. Durch das Jahresabo wird zudem sichergestellt, dass man stets von aktualisierten Daten profitiert, während das ExoMatter-Team kontinuierlich neue Datenquellen integriert und weitere Eigenschaften im Hintergrund berechnet.
Gibt es noch etwas, was ihr unseren LeserInnen mit auf den Weg geben wollt?
Materials Informatics ist ein stark wachsender Bereich, und wir gehen davon aus, dass Plattformen wie unsere in wenigen Jahren als Standardtool in den meisten produzierenden Unternehmen in Deutschland eingesetzt werden. Early Adopters haben bereits jetzt einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, ohne ein signifikantes Risiko eingehen zu müssen.
Bislang nimmt ExoMatter europaweit eine Vorreiterrolle ein, und wir freuen uns, durch das Investment unsere Plattform weiter mit zusätzlichen Materialien und abrufbaren Eigenschaften anreichern zu können.
Vielen Herzlichen Dank! Wir freuen uns schon auf das kommende Spotlight, wo wir eure Plattform live erleben zu dürfen!
Erfahren Sie, wie digitale Material-entwicklung Aufwand und Kosten reduzieren und die Produktentwicklung beschleunigen kann. Und erleben Sie live, wie die Plattform von ExoMatter Sie dabei unterstützen kann.
📅 19.11.2024
⏱️ 11:00 – 12:00 Uhr
🚩 Online (MS Teams)