Hot Seat: Tassilo Schuster & Lydia Bühler

Datum: 09 Aug, 2022

Heute unterhalten wir uns mit Dr. Tassilo Schuster und Lydia Bühler vom Fraunhofer IIS über digitale Technologien und deren Beitrag für eine Transformation zur Circular Economy. Wir erfahren anhand von Beispielen welche Unternehmen bereits diese Technologien für Kreislauflösungen nutzen und wie das Fraunhofer IIS Unternehmen bei der Transformation hin zur Zirkularität und Digitalisierung unterstützt.

Exklusiv für unser Netzwerk bieten Tassilo Schuster und Lydia Bühler einen interaktiven Workshop zu diesem Thema am 14. Oktober an. Erfahren Sie in diesem Interview, was Sie im Workshop erwartet und warum Sie daran teilnehmen sollten!

Hallo Tassilo und Lydia, danke, dass ihr Zeit für unser Interview hattet. Wir hatten letztes Jahr die Gelegenheit im Rahmen von TRANSFERleben an eurem Workshop zum Thema digitale Technologien für die Kreislaufwirtschaft teilzunehmen und waren mehr als begeistert. Welche Chancen kann eurer Meinung nach gerade die Digitalisierung bieten, um die Transformation der Wirtschaft hin zu einer Wertschöpfung im Kreislauf zu unterstützen?

Wir sind überzeugt, dass digitale Technologien einen entscheidenden Beitrag leisten können, um ein zirkulares Wirtschafts- und Wertschöpfungssystem zu realisieren. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass in vielen Fällen Informationsdefizite ein Grund für eine mangelnde zirkuläre Wertschöpfung darstellt. Durch den Einsatz von digitalen Technologien können bspw. Produkte, Materialien und Komponenten während des unternehmensübergreifenden Wertschöpfungsprozesses und in der Nutzungsphase nachverfolgt werden und die gesammelten Daten für ein verbessertes Ressourcenmanagement und Entscheidungsfindung genutzt werden. Bspw. kann ein datenbasierter Abfall-Ressourcen-Abgleich zwischen Unternehmen zu einer wertstiftenden Industriesymbiose führen. Blockkraftwerke produzieren eine große Menge an Abwärme als Nebenprodukt, die in anderen Unternehmen, wie in Aquakulturbetrieben, gewinnbringend eingesetzt werden kann. Darüber hinaus können Daten genutzt werden, um den Produktzustand und –verschleiß vorauszusagen, Produktionsstillstände durch eine verbesserte Wartungsplanung und Ersatzteilbestellung zu reduzieren und um bessere Wiederverwertungsentscheidungen zu treffen. Schließlich können digitale Technologien während der Produktnutzung beitragen, Produkte sachgerecht und effizienter einzusetzen oder mithilfe einer Remote-Wartung d Nutzungsphase zu verlängern. Die Möglichkeiten, die digitale Technologien für eine zirkuläre Wirtschaft bieten, sind wirklich vielseitig.

Können Ihr unseren Leser:innen von konkreten Beispielen erzählen, welche digitalen Technologien für Kreislauflösungen angewendet werden?

Es gibt bereits zahlreiche Unternehmen, die angefangen haben digitale Technologien für den Aufbau eines zirkulären Wirtschaftssystems zu nutzen. Zum Beispiel das Start-up Bin-e, welches Unternehmen mit Hilfe intelligenter Abfallcontainer bei der Abfallsortierung unterstützt. Hierzu kombiniert das Start-Up eine KI-basierte Objekterkennung, eine intelligente Füllstandkontrolle und moderne datenanalytische Verfahren, um das Abfallmanagement bequem und effizient zu gestalten. Die KI ermöglicht die Unterscheidung zwischen Glas, Plastik, Papier und Metall und kann hierdurch ein Großteil des Abfalls korrekt sortieren.

Covestro nutzt computergestützte Simulationen von Versuchsreihen, um Produkte mit speziellen Eigenschaften gezielt und effizient zu entwickeln. Die maßgeschneiderten Produkte haben dabei einen positiven Einfluss auf die Nachhaltigkeitsbilanz und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und ermöglichen dazu noch Energie- und Materialverbrauch während des Herstellungsprozesses zu reduzieren.

Ein weiteres Beispiel liefert I-Point, welches Unternehmen eine Conflict-Minerals-App zur Erfassung, Aggregation und Berichterstattung relevanter Konfliktmineralien-Daten über die gesamte Lieferkette hinweg anbietet. Dies ermöglicht den beteiligten Unternehmen substanzbezogene Regularien besser zu beachten, wodurch bei der Produktentwicklung und Herstellung stets die aktuellsten Richtlinien und Verordnungen berücksichtigt werden können.

Wie unterstützen Ihr Unternehmen, die tiefer in dieses Thema einsteigen wollen und einschätzen möchten wo Ihr Unternehmen in Bezug auf eine „Smarte Kreislaufwirtschaft“ steht?

Wir am Fraunhofer IIS unterstützen Unternehmen während allen Phasen des Transformationsprozesses mithilfe unserer innovativen und anwendungsorientierten Methoden-Toolbox. Unser Leistungsangebot beginnt dabei bei der Bewertung des gegenwärtigen Ist-Zustands im Unternehmen, welchen wir mithilfe unseres Transformationsnavigators „Smart Circularity“ bestimmen. Hierbei wird bspw. geprüft, welche digitalen Technologien bereits im Unternehmen zum Einsatz kommen, welche Daten bereits vorliegen, die für die Umsetzung von zirkulären Wertschöpfungsstrategien genutzt werden können, welche Kompetenzen ein Unternehmen hat und inwiefern die Produkte eines Unternehmens „smart“ sind. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass die Bestimmung der Ist-Situation besonders für Unternehmen, die am Anfang ihres zirkulären Transformationsprozesses stehen, einen enormen Mehrwert bietet, da diesen häufig nicht klar ist, wo sie gerade stehen und welche Möglichkeiten für eine zirkuläre Wertschöpfung vorhanden sind.

Zudem unterstützen wir Unternehmen bei der Entwicklung einer zirkulären Vision bzw. eines Zielbilds zur Ausgestaltung strategischer Ziele sowie beim Aufbau eines angemessenen KPI-Systems. Dies ist wichtig, um ein Ziel vor Augen zu haben und zu wissen, wo hin die Reise hingehen soll.

Schließlich unterstützen wir Unternehmen durch ein Anwendungsroadmapping, um ihnen aufzuzeigen, welche Use Cases umgesetzt werden können, um von der gegenwärtigen Ist-Situation zum entwickelten Sollzustand (Zielbild) zu kommen. Hierfür haben wir eine umfangreiche Datenbank mit Good-Practice Beispielen aufgebaut, die kontinuierlich durch unsere Mitwirkung an Forschungsprojekten erweitert wird. Sind diese Schritte durchlaufen, geht es an die konkrete Umsetzung der Use Cases, bei welchen wir mit unseren Partnern im Fraunhofer-Verbund ebenfalls gerne unterstützen.

Am 14. Oktober werdet Ihr einen Workshop für unsere Mitglieder zum Thema „Smarte zirkuläre Wirtschaft“ veranstalten. Was erwartet unsere Mitglieder und warum sollten Sie am Workshop am 14. Oktober teilnehmen?

Im Workshop erwartet die Teilnehmer ein spannendes und interaktives Programm. Neben einem Impulsvortrag zum Thema „Smarte Zirkuläre Wirtschaft“, werden wir uns mit den Herausforderungen von Unternehmen beschäftigen, um digitale Technologien für die Realisierung von zirkulären Lösungen einzusetzen. Zudem lernen die Teilnehmer eine Vielzahl von unterschiedlichen digitalen Technologien kennen, die von anderen Unternehmen bereits erfolgreich für eine zirkuläre Wertschöpfung im Unternehmen eingesetzt werden und diskutiert, inwiefern diese im eigenen Unternehmen Anwendung finden können. Bestmöglich entstehen hier bereits erste Lösungsskizzen für eine Implementierung. Ein besonderer Mehrwert wird zudem durch die Durchführung eines Self-Assessments zur Ist-Situation im eigenen Unternehmen geboten. Die Ergebnisse aus dieser Selbsteinschätzung werden anschließend von unseren Experten ausführlich analysiert und im Nachgang des Workshops in exklusiven One-on-One-Sitzungen besprochen. Durch den Erhalt eines Executive Reports der Ergebnisse haben die Teilnehmer auch etwas in der Hand, ihre Erfahrungen aus dem Workshop mit Kolleg:Innen zu teilen und die Entscheidungsträgern über mögliche nächste Schritte der zirkulären Transformation zu informieren.

Weitere Informationen zum Workshop “Smarte zirkuläre Wirtschaft” finden Sie hier: Link


PD Dr. Tassilo Schuster ist Senior Project Manager/ Senior Scientist der Gruppe „Business Transformation“ in der Abteilung „Innovation & Transformation“ der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Supply Chain Services. Seine gegenwärtigen Fokusthemen umfassen datenbasierte und zirkuläre Geschäftsmodelle, Reifegradmessungen zur digitalen und nachhaltigen Transformation von Unternehmen, Datenökonomie im internationalen Kontext und organisationale Integration digitaler und zirkulärer Geschäftsmodelle. Zuvor arbeitete Tassilo Schuster als akademischer Rat und Vertretungsprofessor an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Lydia Bühler studierte Betriebswirtschaftslehre (M.Sc., Univ.) mit Schwerpunkt Produktion/Logistik und Supply Chain Management an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg. Seit März 2019 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gruppe Business Transformation der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS in Nürnberg und Expertin des Mittelstand-Digital Zentrums Augsburg. Sie forscht rund um das Thema “Einsatz von Digitalen Technologien und der Nutzung von Daten zur Realisierung einer Circular Economy in produzierenden Unternehmen”. Zu diesem Thema schreibt sie derzeit auch ihre Dissertation.

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