Zero industrial waste! Unter diesem Motto entwickelt das Starnberger Familienunternehmen econ industries Lösungen, um u.a. Öl aus Schiffsrümpfen in Griechenland zu recyclen oder in Australien giftiges Quecksilber in ungiftiges Quecksilber-Sulfid umzuwandeln. Anlässlich des 20-jährigen Firmenjubiläums erklärt uns CEO Reinhard Schmidt im Hot-Seat-Interview, wie ihre innovative Vakuumdestillationstechnologie funktioniert und diskutiert mit uns, welche Hürden und Herausforderungen im Bereich der Abfallbehandlung noch zu bewältigen sind.
Guten Tag Herr Schmidt, dieses Jahr feiert econ industries das 20-jährige Bestehen. Herzlichen Glückwunsch! Können Sie unseren LeserInnen einen Einblick in econ industries geben und erläutern, was sich hinter dem Motto „Zero industrial waste!“ verbirgt?
Wir recyceln pastöse und feste Abfälle mittels Vakuumdestillation, indem wir Fraktionen aufgrund ihrer Siedepunkte bis 450 °C separieren. Meist sind die Feststoffe metallisch oder mineralisch. Von denen trennen wir z.B. Kohlenwasserstoffe und Quecksilber unter Vakuum ab.
Hinter unserem Claim verbirgt sich unsere Überzeugung, dass eines Tages die sogenannte Beseitigung von Abfällen durch Verbrennen und Deponieren enden muss. An deren Stelle tritt die Vermeidung von Abfällen oder – und das ist unser Thema – das stoffliche Recycling. Wir geben aber gerne zu, dass bis dahin noch mindestens weitere 20 Jahre und viele weitere econs gebraucht werden. Wir allein werden das nicht schaffen!
Sie sprechen von der “sogenannten” Beseitigung von Abfällen. Was stört sie an dem Begriff?
Vom Gesetzgeber und vom Anlagenbetreiber werden Verbrennung und Deponierung oft als Beseitigung bezeichnet. Dass beim Deponieren nichts beseitigt wird, ist offensichtlich. Dass beim Verbrennen ebenfalls nichts `beseitigt´ wird, sondern eine Umwandlung der Abfälle in andere Sonderabfälle wie Rostasche und Flugasche sowie in überwiegend aus CO2 bestehendes Abgas erfolgt, ist offensichtlich nicht so bekannt oder wird gerne übersehen. Das Greenwashing mittels solcher Begriffe ist so alt wie die Abfallentsorgung selbst. Das gilt übrigens auch für den Begriff “thermische Abfallbehandlung“, der von den Verbrennern gerne benutzt wird. Oder kennen Sie ein anderes Behandlungsverfahren, dass die Zerstörung im Sinn hat?
Nun sind Sie schon sehr lange im Bereich der Rohstoffrückgewinnung tätig. Wie würden Sie die Entwicklung auf dem Markt bewerten? Spiegelt sich das wachsende gesellschaftliche Verständnis für die Wichtigkeit von Ressourceneffizienz auch in der Industrie wider?
Unsere Gesellschaft verlässt sich stillschweigend und zurecht darauf, dass bei der Behandlung von Industrieabfällen immer der Stand der Technik zum Einsatz kommt und bestehende Gesetze respektiert werden. Ich würde sagen, dass da noch Luft nach oben ist! Unser Unternehmen bewegt sich ausschließlich im Bereich der Industrieabfälle, der sich der öffentlichen Wahrnehmung weitestgehend entzieht. In Deutschland werden 30 bis zu 50 Jahre alte Sondermüllverbrennungen betrieben. Deren Größte steht übrigens in Bayern. Diese Anlagen wollen gefüttert werden, mit jährlich rd. 1,5 Millionen Tonnen Sonderabfällen. Das erzeugt 1,5 Mio Tonnen CO2 und außerdem Rost- und Flugasche, die deponiert werden müssen. Für die Verbrennung fossiler Brennstoffe gibt es ein Ausstiegsszenario, für die Abfallverbrennung nicht. Das finden wir erstaunlich, zumal schon heute für viele Industrieabfälle das Verbrennen teurer ist als das Recycling. Das haben wir auch schon einigen heimischen Verbrennern erklärt, die wollten das aber nicht hören.
Dass nun die (Sonder-)Müllverbrennung ab 01.01.2024 in die nationale CO2 Bepreisung mit einbezogen wird, ist ein gutes Signal. Das gibt dem stofflichen Recycling in Deutschland einen ordentlichen Schub! Europa wird da in Kürze nachziehen, da bin ich mir sicher.
Und wohin wird die Reise für econ industries in den nächsten 20 Jahren gehen?
Die von uns bisher gelieferten Anlagen recyceln täglich bis zu 1.000 ton Sonderabfälle auf 3 Kontinenten in 14 verschiedenen Ländern. Diese Vielfalt bedeutete bisher Losgröße 1. An Standardisierung bei Design und Fertigung war also bisher kaum zu denken. Das ändert sich nun rasant, weil wir inzwischen einen international extrem breiten Erfahrungsschatz haben und länderübergreifend standardisieren können. Wir kennen über 500 verschiedene Abfälle aus Öl & Gas, Chemie und Metallindustrie und wissen, was unsere Kunden brauchen. In diesem Jahr haben wir erstmals drei Anlagen parallel in Betrieb genommen. Das werden wir noch steigern, insbesondere durch die Digitalisierung interner Prozesse und die Fernüberwachung der Anlagen bei den Kunden.
Was bleibt ist unser Standort: Einen besseren Ort zum Arbeiten als die Region Starnberg-Ammersee kann man nicht finden. Hier gehen wir nicht weg!
Gibt es noch etwas, was Sie unseren LeserInnen mit auf den Weg geben möchten?
In Deutschland sollten wir uns wieder mehr auf die Vorteile der Teamarbeit und des gemeinsamen Entwickelns und Umsetzens von Innovationen zum Nutzen unserer Kunden verlassen. Je mehr wir Ingenieurwissen kombinieren und darauf verwenden, weltweit respektierte Produkte anzubieten, desto erfolgreicher werden wir sein. Mit wöchentlich 32 Stunden im Homeoffice werden wir das nicht schaffen!
Reinhard Schmidt hat gemeinsam mit Ehefrau Stephanie Gundlage econ industries 2003 gegründet. Sie führen das Unternehmen gemeinsam. Sie hat Betriebswirtschaft studiert, danach in der Unternehmensberatung gearbeitet und kümmert sich bei econ um den kaufmännischen Part. Er hat nach dem Maschinenbaustudium bei Mannesmann und Umwelttechnik-Anlagenbauern gearbeitet, kümmert sich somit um die Technik. Die gemeinsame Tochter Lena ist als Digital Engineer im Unternehmen u.a. für die ERP-Einführung zuständig.