Hot seat: Natalia Ivleva

Datum: 01 Jul, 2020

Frau Dr. Ivleva, Sie sind Leiterin der Raman- und SEM-Gruppe des Instituts für Wasserchemie und Chemische Balneologie (IWC) und Lehrstuhls für Analytische Chemie und Wasserchemie der Technischen Universität München (TUM). Womit beschäftigen Sie und Ihre Mitarbeiter sich im Detail?

Unsere Gruppe am IWC-TUM (Direktor Prof. Dr. Martin Elsner) widmet sich der Analyse komplexer Prozesse in Umwelt- und Industriesystemen mit Fokus auf Etablierung und Evaluierung der Raman-Mikrospektroskopie (RM), oberflächenverstärkter Raman-Streuung und Stabilisotopen-RM sowie Automatisierung und Online/ High-Throughput-Analytik. RM basiert auf inelastischer Lichtstreuung an Molekülen und ermöglicht uns sogenannte „Fingerabdruck“-Spektren von (an)organischen und (mikro)biologischen Proben zerstörungsfrei, ohne Störungen durch Wasser und mit Ortsauflösung im Mikrometer-Bereich (und sogar darunter) zu gewinnen. Im Rahmen interdisziplinärer Kollaborationen kombinieren wir Raman-basierte Methoden mit Elektronenmikroskopie- und Massenspektrometrie-basierten Techniken sowie Fraktionierung- und Sorting-Ansätzen zur Detektion, Identifizierung, Quantifizierung und Charakterisierung verschiedener Analyte bzw. Matrizen, die von Biofilmen und Mikroorganismen, über Mikroplastik und Nanoplastik, bis hin zu Ruß- und atmosphärischen Aerosolen reichen.

Sie haben den „Bunsen-Kirchhoff-Preis für Analytische Spektroskopie 2020“ des Deutschen Arbeitskreis für Analytische Spektroskopie (DAAS) gewonnen. Herzlichen Glückwunsch auch von unserer Seite. Für welche Forschungsarbeiten haben Sie diesen Preis gewonnen?

Herzlichen Dank! Es ist wirklich eine große Ehre für mich, diesen Preis zu gewinnen. Mit diesem Preis wurde mein Beitrag zur Etablierung und Evaluierung der Raman-Mikrospektroskopie, oberflächenverstärkter Raman-Streuung und Stabilisotopen-Raman-Mikrospektroskopie als zerstörungsfreie chemische 2D- & 3D- Analysenmethoden bzw. bildgebende Verfahren anerkannt. Die Machbarkeit dieser Raman-basierten Methoden konnte ich bereits in solchen neuen Anwendungsfeldern der Umweltanalytik wie atmosphärische und Ruß-Aerosole, Mikroplastik und Nanoplastik sowie Mikroorganismen und Biofilmen demonstrieren.

Zusatzinformation: Der Preis sollte ursprünglich im April 2020 im Rahmen der Bunsen-Kirchhoff-Award Session des DAAS auf der Analytica Conference in München überreicht werden. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden die Analytica und auch die Preisverleihung auf Oktober 2020 verschoben.

Letzten November startete Ihr Projekt „RAMBo –Raman-basierte Methoden zur Biofilm-Charakterisierung für eine effiziente Abwasserreinigung mittels Mikrobieller Brennstoffzellen“, das Sie zusammen mit dem Wissenschaftszentrum Weihenstephan der Technischen Universität München durchführen. Worum geht es in diesem Projekt konkret und was versprechen Sie sich von den beteiligten Industriepartnern des projektbegleitenden Ausschusses?

Unser RAMBo-Projekt hat zum Ziel, die Effizienz von mikrobiellen Brennstoffzellen (MBZ) nachhaltig zu verbessern. Eine MBZ stellt eine neue und alternative Technologie zur anaeroben Abwasserbehandlung dar. In einer MBZ erledigen exoelektrogene Mikroorganismen zwei wichtige Funktionen: einerseits bauen sie organische Abwasserinhaltsstoffe ab und reinigen dadurch das Abwasser, andererseits produzieren sie gleichzeitig elektrische Energie. In der Arbeitsgruppe Wassertechnologie des Lehrstuhls für Lebensmittelchemie und molekulare Sensorik, TUM arbeiten Dr. Karl Glas und Sarah Brunschweiger, M.Sc., an der Weiterentwicklung, Optimierung und Validierung von MBZ. Für diese Schritte ist die Erfahrung unserer Industriepartner aus dem projektbegleitenden Ausschuss bezüglich technischer Herausforderungen und des MBZ-Anwendungspotentials essenziell. Am IWC-TUM fokussiert sich Irina Beer, M.Sc., auf die Analyse von Biofilm-Charakteristika (mikrobielle und chemische Zusammensetzung und 3D-Struktur) mittels Raman-Mikrospektroskopie und Rasterelektronenmikroskopie (Scanning Electron Microscopy, SEM). Es soll ein systematisches Verständnis über Biofilme gewonnen werden, welche eine effiziente stoffliche Umsetzung der Organik im (Brauerei-)Abwasser bei gleichzeitiger maximaler Gewinnung von elektrischer Energie ermöglicht. Ziel des Forschungsprojektes ist es u.a. daher, eine weitgehend autarke Abwasserbehandlung mit der mikrobiellen Brennstoffzellentechnologie zu realisieren.

PD Dr. Natalia P. Ivleva studierte Chemie und Biologie an der Südlichen Föderalen Universität (Rostov am Don, Russland). Nach der Promotion im Jahr 1997 am Institut für Chemische Physik (Russische Akademie der Wissenschaften, Tschernogolowka, Russland) begann sie ihre Postdoc-Zeit am selben Institut. Seit 2003 arbeitet sie am Institut für Wasserchemie und Chemische Balneologie, dem Lehrstuhl für Analytische Chemie an der Technischen Universität München, wo sie jetzt die Raman- und SEM-Gruppe leitet.