In TeBiCE wollen wir einen Markt für Biomasse und Reststoffe entwickeln. Ziel ist es, neue Wertschöpfungsketten zu finden und bestehende weiter zu verbessern, die auf ehemaligen Abfällen basieren. So soll die Wertschöpfung und Ressourceneffizienz erhöht werden. In dem Projekt arbeitet ein Konsortium von acht Partnern aus Regionen aus sechs Ländern zusammen, um neue Prozesse der Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Das Vorhaben wird mit einem digitalen Tool von VCG.AI unterstützt
Rottal Hanf ist ein Unternehmen mit Sitz in Bayern, das die Hanfpflanze von den nährstoffreichen Samen über die Fasern bis hin zu den Schäben und bei der Produktion anfallendem Staub vollständig verwerten will. Ziel ist die Entwicklung regionaler Wertschöpfungsketten nach den Prinzipien der Bioökonomie. Matthias Schwarz, Geschäftsführer von Rottal Hanf, gab uns einige Einblicke in das Potenzial von Hanf für die Kreislaufwirtschaft, das über den Einsatz im Lebensmittelbereich hinausgeht.
Was macht Hanf so besonders für seine Nutzung in der Bioökonomie, welche Eigenschaften machen ihn besonders interessant in Hinblick z.B. auf Biodiversität und CO2-Speicherung?
Die Besonderheit von Hanf ist für uns vor allem die Vielseitigkeit der Anwendungen vom Lebensmittel, über die Nutzung von Schäben und Fasern im Bau oder als Textil. Er wird sowohl in technisch eher simplen Produkten verarbeitet, als auch in High-Performance Produkten. Die einzelnen Bestandteile, bieten ein enormes Potential für die regionale Wertschöpfung und die Nutzung in nachhaltigen Materialkreisläufen. Das sorgt für kurze Transportwege, Unabhängigkeit und Resilienz in der Rohstoffbeschaffung.
Die Verarbeitung hat eine lange Tradition und wir kennen etablierte Verarbeitungstechniken sowie moderne Technologien zur Gewinnung der einzelnen Bestandteile. Neue Entwicklungen sind kaum nötig und wir können auf bestehendes Wissen zurückgreifen.
Das schnelle Wachstum und die hohen Biomasse-Erträge machen die Pflanze bei langfristiger stofflicher Nutzung zu einem effektiven CO2-Speicher. Außerdem trägt Hanfanbau dazu bei den Boden zu rekultivieren und Nährstoffe zu binden. Das steigert den Ertrag von Folgefrüchten um bis zu 20 %.
Wir denken, dass sich der Nutzhanf durch die aktuelle Aufmerksamkeit auf die Bioökonomie, als Kulturpflanze neu erfinden wird. Da sich die preisgünstige Erdöl-basierte Industrie in absehbarer Zeit drastisch verändern wird, können neue Technologien etabliert werden. Das ist ein Hebel für die wirtschaftliche Verarbeitung von Nutzhanf.
Gemeinsam mit unseren Partnern gestalten wir die Infrastruktur so, dass die neu entwickelten Produkte Teil eines Materialkreislaufs werden, sodass am Ende das Ziel erreicht wird, einmal geerntetes Hanf-Material möglichst lange zu nutzen.
Können Sie uns ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung eines zirkulären Konzepts im Zusammenhang mit Hanf geben? Wo stehen Sie aktuell noch vor Herausforderungen?
In Kooperation mit Steva Hemp haben wir ein End of Life Konzept für Bettwäsche aus 100 % Hanf erarbeitet. Die Fasern werden in Bauplatten stofflich weiter genutzt. So wird vor der biologischen oder energetischen Verwertung eine weitere Stufe etabliert, in der das im Hanf gebundene CO2 gespeichert bleibt.
Aktuell sind wir bei der Skalierung sowie Validierungsschritten und deren Investitionskosten gefordert. Bei allen drei Bereichen setzen wir auf Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern unterschiedlicher Branchen, um die beste Lösung zu finden. Die Sensibilisierung und Aufklärung unserer Partner sehen wir hier als eine zentrale Tätigkeit.
Die Anwendungen von Hanf reichen vom Nahrungsmittel bis zum Komposit-Werkstoff im Bau oder in High-Performance Produkten. Wie wichtig ist für Sie die Kooperation mit Partnern an verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette?
Die Kooperation ist für uns enorm wichtig. Jede Region hat ihre Stärken und Schwächen. Da Nutzhanf relativ wenige Ansprüche an den Boden stellt, auf dem er wächst, kann er in vielen Regionen angebaut werden.
Entscheidend ist die Definition des Einsatzzweckes und die Nutzung nach der Ernte. Hier kommen die lokalen Partner, vom Bauern bis zu Lieferanten von Reststoffen aus anderen Branchen, ins Spiel. Wer braucht was und wie? Wie genau sieht das Ziel aus?
Ein Beispiel aus unserer Region: Ein Ziegelhersteller stellt uns Reststoffe aus der Produktion zur Verfügung, die wir mit Hanf zu höherwertigen Produkten verarbeiten können.
Wie beeinflusst das Streben nach einem nachhaltigen Geschäftsmodell Ihre Unternehmensziele? Steht Nachhaltigkeit im Gegensatz zur Ökonomie oder bringt es sogar wirtschaftliche Vorteile mit sich?
Wir sehen den wirtschaftlichen Vorteil, wenn das nachhaltige Geschäftsmodell auf lokaler Ebene funktioniert. Es muss für alle Beteiligten einen Vorteil haben. Angefangen vom Landwirt, über den weiterverarbeitenden Betrieb bis zum Endkunden, der seinen Enkeln dann sagen kann, hier habe ich z. B. ein Haus gebaut, wenn es euch nicht gefällt, baut es ab, ackert es ein und baut neuen Hanf darauf an. Das muss möglich sein, das muss der Fokus sein!
Nein. Wir sehen neue Möglichkeiten Vorteile auszuarbeiten. Zum Beispiel, die Kooperation in der Kommunikation – für Unternehmen soll klar dargestellt werden, dass Entscheidungen, diese schnell nachwachsende Ressource in Ihr Produktportfolio zu integrieren einen Vorsprung für alle Beteiligten erzeugt. Eine bessere wirtschaftliche Tragfähigkeit wird dadurch gestattet und somit auch eine neue ökologischere Tragweite, vom Endverbraucher, mit bewusster Kaufentscheidung bis hin zu weiterverarbeitenden Betrieben, die mit den Erzeugnissen arbeiten.
Was möchten Sie uns noch mit auf den Weg geben?
Die Arbeit mit Nutzhanf ist für uns eine große Bereicherung und wir sind dankbar, dass wir ein Thema behandeln, dass von einer besseren Zukunft spricht. Es gibt uns die Möglichkeit auf ein Ziel hin zu arbeiten, ein Ziel dem wir unsere ganze Aufmerksamkeit widmen können. Nutzhanf ist für uns ein Hebel der Veränderung bringen kann. Und je mehr mitmachen, umso besser.
Matthias Schwarz ist Geschäftsführer und Gründer der Rottal Hanf GmbH. Seit 2017 beschäftigt er sich mit der Nutzung von Hanf und deren Integration in die landwirtschaftliche Fruchtfolge. Er ist gelernter Kfz-Mechatroniker mit anschließender Weiterbildung zum Techniker für Fahrzeugtechnik & Elektromobilität, konnte 7 Jahre Entwicklungserfahrung in der Automobilindustrie sammeln und sich im Qualitätsmanagement fortbilden.