Heute begrüßen wir Jürgen Heyder von Heidolph Instruments auf unserem Hot Seat. Das bayerische Unternehmen ist seit Februar diesen Jahres Mitglied im Chemie-Cluster Bayern. Herzlich willkommen! Mit Jürgen Heyder unterhalten wir uns über die Möglichkeiten mit denen auch Hersteller von Laborgeräten ihre jahrzehntelange Beratungskompetenz gewinnbringend in eine Kooperation mit Forschungs- und Industrieunternehmen in der Chemiebranche einbringen können.
Hallo Jürgen. Vielen Dank, dass du dir Zeit für unser Interview nimmst. Bitten stell uns das Unternehmen Heidolph Instruments kurz vor und erzähle uns mehr zu euren Produkten.
Wir danken euch für die freundliche Einladung und für die Aufnahme in den Cluster!
Heidolph Instruments ist ein etablierter, mittelständischer Hersteller von Laborgeräten. Der Hauptsitz sowie die historischen Wurzeln des Unternehmens, die bis ins 17. Jahrhundert zurückgehen, liegen in Schwabach bei Nürnberg.
Heidolph entwickelt und produziert traditionell hochqualitative Laborgeräte, die zur Standardausstattung in nahezu jedem Labor und im Speziellen im Chemielabor gehören. Wir sprechen hier u.a. von Rotationsverdampfern, Magnet- und Laborrührern, Peristaltikpumpen sowie Schüttel- und Mischgeräte.
Die gesamte Entwicklung und Produktion findet nach wie vor in Schwabach statt. Dies ist für uns der Schlüssel, um konstante Qualität zu gewährleisten und um sehr schnell auf die, zunehmend dynamischen Marktanforderungen reagieren zu können.
Da eure Endprodukte keine chemischen Erzeugnisse oder neue Werkstoffe sind, seid ihr in dieser Disziplin eher ein „Exot“ innerhalb des Clusters. Wie bewertet ihr diese Situation und eure Sonderstellung im Chemie Cluster und wie passt das alles zusammen?
Tatsächlich passt das alles deutlich besser als man im ersten Moment vermuten mag. Viele Herausforderungen, vor der die Chemieindustrie aktuell steht und in naher Zukunft stehen wird, sind umfangreicher und fundamentaler als viele Herausforderungen in der Vergangenheit. Häufig können diese nur angegangen und gelöst werden, wenn man einen ganzheitlichen Blick auf die eigenen Prozesse und das erweiterte Unternehmensumfeld wirft. Hier ist es absolut bereichernd und häufig auch notwendig, wenn man die Expertise und Erfahrungen der Lieferanten und Dienstleister einbindet. Denn diese haben, den häufig unterschätzten Vorteil, dass sie mit ähnlichen Aufgabenstellungen in ähnlichen Unternehmen bereits konfrontiert wurden. Des Weiteren war der Schlüssel zu unserem Erfolg seit jeher, dass wir pragmatische und auf die Anwendung hin zugespitzte Innovationen generiert haben, denn viele sogenannte Innovationen sind für den Anwender im Labor am Ende sinnfrei, wenn Sie aus den reinen Augen eines Entwicklers entstanden sind und nicht das
Ergebnis einer engen und empathischen Zusammenarbeit mit dem Endanwender selbst. Um diese Streuverluste innerhalb unserer Innovationskraft so gering wie möglich zu halten, brauchen auch wir Endanwender als Entwicklungspartner die offen und auch mal vernichtend ehrliche mit uns sind. Einige Entwicklungsprojekte mit Cluster-Mitgliedern aus der Vergangenheit zeigen uns wie wertvoll für beider Seiten diese Verbindungen am Ende sein können.
Ein Bereich, in dem ihr eure Expertise bereits eingebracht habt, ist das Lösungsmittelrecycling durch Verdampfung. Was genau habt ihr entwickelt und ist eure Lösung auch für Produktionsanlagen geeignet?
Der Rotationsverdampfer gilt seit jeher als das bewährteste Laborgerät um Lösungsmittel aufzureinigen und rückzugewinnen zudem ist das Funktionsprinzip, sowie der Umgang mit dem Gerät nahezu jedem Chemiker vertraut. Traditionell ist der Rotationsverdampfer jedoch ein Gerät, welches für den manuellen Betrieb kleinerer Mengen ausgelegt ist. Dieses Grundverständnis wollten wir in Frage stellen, da unsere Partner und Kunden zunehmend Probleme mit dem Handling größerer Mengen an Lösungsmittel haben. Häufig geht dies mit weiteren Herausforderungen einher zum Beispiel dem meist geringen Platzangebot im Labor, dem Bestreben nachhaltiger mit Ressourcen umzugehen und dem finanziellen Druck durch erhöhte Preise für die Lösungsmittel selbst, sowie deren Entsorgung.
Qualitativ sind die Heidolph Rotationsverdampfer ohnehin für einen Dauerbetrieb ausgelegt, was uns die Möglichkeit eröffnet hat, die vorherrschende Limitierungen im Volumenbereich durch eine reine Automatisierung des Flüssigkeitsmanagements zu umgehen. Durch die volle Automatisierung des Prozesses von Zugabe des Gemisches bis hin zur automatischen Entnahme des Destillats und des Rückstandes können wir einen klassischen Rotationsverdampfer zu einer 24/7 Aufreinigungsanlage umfunktionieren. Durch die Vollautomatisierung können auch große Volumina verarbeitet werden, wodurch dieses System nicht nur für das Forschungslabor sondern durchaus auch im Pilot-Scale und Kilolab Anwendung finden kann.
Es gibt bereits eine Vielzahl an Beispielen, bei denen das System gewinnbringend eingesetzt wird. Im Bereich der Makromolekularen Chemie des Clustermitglieds der Universität Bayreuth wird zum Beispiel eine solche Automatisierungslösung verwendet um Engpässe, die durch die häufige Lösungsmittelverdampfung kleinerer Mengen entstehen würden zu vermeiden. Gleichartige Gemische werden stattdessen gesammelt und innerhalb eines einzigen Prozesses verarbeitet. Dies räumt den Forschenden mehr Zeit für die eigentlichen Aufgaben ein. Durch die automatisierte Verdampfung u.a. über Nacht konnten zudem Kosten gesenkt werden, indem man günstige, technische Lösungsmittel über das System qualitativ aufwertet.
Ein weiteres interessantes Beispiel ist die Universität in Nottingham. Die dort etablierte „Technical Sustainability Working Group“ hat das große Potential einer solchen Automatisierung, nicht nur im Bezug der Kostenersparnis und Effizienz erkannt, sondern im Speziellen bzgl. der Nachhaltigkeit. Während in der Vergangenheit Lösungsmittel wie Aceton kostspielig und aufwendig extern entsorgt werden mussten werden heutzutage Rückläufer aus fünf verschiedenen Laborarbeitsbereichen direkt vor Ort zur Widerverwendung aufgereinigt. Damit konnte der Bedarf an neuem Aceton um 90% gesenkt werden, was wiederum einer jährlichen Vermeidung von etwa 12 Tonnen CO2 entspricht.
Auch im Bereich der Digitalisierung und Vernetzung bietet Heidolph Instruments Prozesslösungen an und ihr habt in diesem Bereich auch schon mit unserem Clustermitglied der IBZ Salzchemie zusammengearbeitet. Wie genau funktioniert die Lösung und welche Vorteile bietet Sie?
Aufgrund neuer Automatisierungs- und Vernetzungsmöglichkeiten erleben viele unserer doch sehr etablierten täglichen Helfer im Labor, eine Art Renaissance. Die reine Ausführung einer Aufgabe weicht mehr und mehr dem Gedanken automatische Gesamtprozesse zu orchestrieren, in denen die Geräte zwar weiterhin Ihren ursprünglichen „Job“ erledigen jedoch nicht innerhalb eines manuellen Arbeitsschrittes, sondern im Verbund mit vor- und nachgelagerten Prozessschritten.
Bei dem genannten Beispiel ging es um einen mehrstufigen kontinuierlichen Reaktoraufbau. Ziel war es, in den verschiedenen Reaktoren unterschiedliche pH-Werte einzustellen. Durch die Steuersoftware war es möglich die Peristaltikpumpen untereinander so zu vernetzen, dass exakt die Menge aus dem Reaktor in den nächsten gepumpt wurde, wie auch zugegeben wurde. Ein Überfüllen oder Leerlaufen der Reaktoren wurde damit verhindert.
Dadurch konnte ein Batchprozess im Pilotmaßstab in einen kontinuierlichen Prozess überführt werden. Der große Vorteil ist dabei, dass die Anlage flexibel erweiterbar ist. Kurzfristige Änderungen im Prozess können dabei schnell getestet werden. Zusätzlich werden wichtige Prozessparameter wie benötigte Menge an Fällungsmittel und Änderungen in Temperatur und pH-Wert digital und kontinuierlich dokumentiert.
Heidolph Instruments arbeitet sehr eng mit den Kunden zusammen. Welche Ideen würdet ihr gerne zukünftig mit Kunden umsetzen?
Wir freuen uns insbesondere über gemeinsame Projekte, die aktuelle und aufkommende Herausforderungen im Bereich sogenannter „Megatrends“ behandeln. Herausforderungen wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit stellen nicht nur die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen, sondern verändern auch zunehmend die Arbeitsweise und den Ressourcenumgang in den Laboren dieser Welt. Entsprechend können wir auch nur weiterhin erfolgreiche Lösungen anbieten, wenn wir die Herausforderungen unserer Kunden zu unseren eigenen Herausforderungen machen und gemeinsame Lösungen erarbeiten.
Auf der anderen Seite sind wir auch selbst ein entwickelndes bzw. forschendes Unternehmen, welches ebenfalls immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt wird. Die Problematik und zunehmende Reduzierung per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) ist ein beispielhaftes Thema, bei dem auch wir von einem kompetenten Partnernetzwerk profitieren können.
Jürgen Heyder arbeitet als Business Development Manager bei Heidolph Instruments. Eine der Hauptaufgaben dieser Funktion ist es, neue Herausforderungen und Gegebenheiten innerhalb der Forschung in verschiedensten Laborbereichen zu verstehen und diese in Zukunftsstrategien und technische Lösungen zu transferieren mit dem Ziel die tägliche Arbeit im Labor zu erleichtern und effizienter zu gestalten.