Hot Seat: Fabiana Fantinel | CO2BioClean

Datum: 11 Juni, 2025

Guten Tag Dr. Fabiana Fantinel​, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für unser Hot Seat Interview nehmen. Wir freuen uns, Ihren innovativen Ansatz zur Nutzung von CO₂ als Rohstoff für biologisch abbaubare Kunststoffe näher zu betrachten.

Erklären Sie unseren Leserinnen und Lesern bitte kurz: Was ist CO₂BioClean – und woran arbeiten Sie konkret?​

Wir sind ein 2019 gegründetes Start-up und stellen mit unserem patentierten Verfahren einen bioabbaubaren Kunststoff, PHA genannt, aus CO2 her. Im Industriepark Frankfurt-Hoechst ist unsere Pilotanlage seit 2024 in Betrieb. Neben der Pilotanlage treiben wir mit Partnern zahlreiche Projekte voran, um unseren bioabbaubaren Kunststoff in Anwendungen einzusetzen.

​​Gemeinsam mit den Bayerischen Staatsforsten testen Sie aktuell Ihre biologisch-abbaubaren Wuchshüllen auf Basis von CO2. Was ist so besonders an dieser Anwendung?​

​​​Durch Wuchshüllen, die junge Bäume vor dem Verbiss von Wildtieren schützen, werden aktuell große Mengen an Kunststoff in den Wald eingetragen. Viele Forstorganisationen sind aktuell dabei, Wuchshüllen aus konventionellen Kunststoffen zu ersetzen. Unsere Wuchshülle kombiniert Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit. Sie ist nachhaltig, da sie bioabbaubar ist und nicht aus fossilen Rohstoffen hergestellt wird. Und sie ist wirtschaftlich, da sie einfach hergestellt und transportiert werden kann – deutlich einfacher als z.B. Lösungen aus Holz. Zusammen mit den Bayerischen Staatsforsten testen wir aktuell über 1.000 Wuchshüllen in einem Forst in der Nähe von Augsburg. Wichtigstes Ziel ist, Praxiserfahrungen zur Geschwindigkeit des Abbaus der Wuchshüllen im Wald zu gewinnen. ​

​An welchen anderen Anwendungen arbeiten Sie aktuell?

Durch die Vielseitigkeit unseres Bio-Kunststoffs können wir ein breites Spektrum von Anwendungen abdecken. Die Eigenschaften von PHA sind etwas vergleichbar mit denen von Polyethylen (PE) oder Polypropylen (PP). Ein wichtiges Feld für uns ist der Bereich Fasern & Textilien. Wir können verschiedene Arten von Fasern herstellen, die dann z. B. in der Textilindustrie eingesetzt werden können. Zudem ist es uns vor kurzem gelungen, ein zweidimensionales Gewebe herzustellen ohne dass die einzelnen Fasern verwoben werden müssen. ​

Weitere wichtige Projekte sind die Entwicklung einer Folie für den Verpackungsbereich, der Einsatz unseres PHAs in Kosmetika.

Ein weiterer Schwerpunkt sind Anwendungen, die mit dem 3D-Druckverfahren hergestellt werden können. Die auf nachhaltige Spielzeuge spezialisierte Bioplay GmbH plant noch in 2025 das weltweit erste Spielzeug aus CO₂ in einer Kleinserie auf den Markt zu bringen – was dann auch das erste kommerzielle Produkt aus unserem Material sein wird.

Wie wird CO₂-basierter Kunststoff derzeit am Markt angenommen – wie sieht es mit Akzeptanz und Verständnis auf Kundenseite aus?

Bei dieser Frage ist wichtig zu verstehen, dass unsere Pilotanlage nicht für den kommerziellen Bedarf bestimmt ist. Die produzierten Mengen werden eingesetzt, um Anwendungen zu entwickeln und in begrenztem Umfang in der Praxis zu testen – wie z.B. bei den oben genannten Wuchshüllen oder Spielzeugen. Unsere Partnerschaften bestehen deshalb aus Entwicklungsprojekten, bei denen wir mit einem oder mehreren Partnern Anwendungen entwickeln.

​Bevor wir unsere Pilotanlage 2024 in Betrieb genommen haben, war es sehr, sehr schwer Unternehmen für eine Zusammenarbeit zu begeistern. Durch die Pilotanlage hat sich das deutlich geändert. In den letzten Monaten konnten wir zahlreiche Projekte starten – das Chemie Cluster hat uns hierbei ja auch sehr erfolgreich unterstützt. Nachdem wir jetzt mit den Vorplanungen für die erste kommerzielle Anlage begonnen haben, sollten wir als Partner weiter an Attraktivität gewinnen.

​Auch wenn Teile der für uns relevanten Branchen noch abwartend sind, gibt es aus unserer Sicht ausreichend viele Partner mit Mut und unternehmerischem Weitblick, mit denen man die CO₂BioCclean-Technologie voranbringen kann.​

Als junges Unternehmen steht CO₂BioClean vor der Herausforderung, Carbon Capture & Utilization (CCU)-Prozesse in den industriellen Maßstab zu bringen. Wo begegnen Ihnen aktuell die größten Hürden?

​​Wir bieten mit unserer Technologie die Möglichkeit, wesentliche Teile der Kunststoffindustrie hinsichtlich CO₂-Ausstoß und Plastikverschmutzung nachhaltig zu gestalten. Wir adressieren damit zwei ziemlich große Probleme. Dadurch hat unsere Vision eine enorme Strahlkraft dank der wir uns in den letzten 6 Jahren stetig weiterentwickeln konnten – trotz vieler Herausforderungen.

​Eine relevante Hürde sehen wir in den Rahmenbedingungen. Sowohl CCU-Projekte als auch Biokunststoff-Projekte werden zwar gefördert, im kommerziellen Einsatz aber bisher kaum unterstützt. In anderen Bereichen, wie Autoantriebe, Kraftstoffe, Flugzeugkraftstoffe wird z.B. über Quotenregelungen der Marktzugang gesichert und dadurch Planungssicherheit geschaffen. Die geringe Planungssicherheit ist bei uns eine große Herausforderung, wenn wir mit Investoren über unsere Technologie sprechen.​

In welchen Bereichen sehen Sie Anknüpfungspunkte für Unternehmen aus dem Chemie-Cluster Bayern oder darüber hinaus, die mit CO₂BioCclean zusammenarbeiten wollen?

​​Wir sehen Anknüpfungspunkte an zwei Stellen: Zum einen suchen wir nach Unternehmen, die sich zukünftig durch bioabbaubare und CO₂-basierte Produkte von ihren Wettbewerbern differenzieren wollen und gemeinsam mit uns Anwendungen aus PHA entwickeln möchten. Im Fokus stehen bei uns Kosmetika, Verpackungen, Anwendungen in der Landwirtschaft und im Faser- und Textilbereich. Wir sind aber auch sehr aufgeschlossen gegenüber anderen Segmenten.

​Zum zweiten sind wir auf der Suche nach einem Partner für den Bau der ersten kommerziellen Anlage. Wir können uns z. B. ein Joint Venture vorstellen. Als potenzielle Partner kommen Unternehmen aus der Kunststoffindustrie in Frage, die sich ein Standbein außerhalb der fossilen Rohstoffe aufbauen wollen oder CO₂-Emittenten, die nach einem wirtschaftlich sinnvollen Auslass für ihr CO₂ suchen. ​

Vielen Herzlichen Dank für die spannenden Einblicke und weiterhin viel Erfolg für die nächsten Schritte!

Dr. Fabiana Fantinel ist Gründerin und CEO von CO2BIOCLEAN und bringt langjährige Erfahrung in der Kunststoff- und Biotechnologiebranche mit. Mit ihrer Expertise an der Schnittstelle von Chemie, Materialwissenschaft und industrieller Innovation treibt sie die Vision voran, CO₂ als nachhaltige Ressource für die Kunststoffproduktion nutzbar zu machen.