Hot Seat: Dr. Tobias Schwarzmüller

Datum: 16 Mrz, 2023

Herzlich begrüßen wir unseren neuen Kollegen Dr. Tobias Schwarzmüller auf unserem Hot Seat. Wir haben in den letzten Jahren schon immer intensiv mit Ihm zusammengearbeitet und freuen uns umso mehr über den Neuzugang. Mit Tobias sprechen wir über seinen Hintergrund und seine bisherigen Tätigkeiten, seine zukünftigen Aufgaben im Chemie-Cluster und seine Begeisterung für Biotechnologie, Bioökonomie und grüne Chemie und wie auch unsere Mitglieder davon profitieren können.

Tobias, seit Anfang des Jahres arbeitest du für den Chemie-Cluster Bayern. Zuvor warst du viele Jahre bei Bayern Innovativ tätig. Gib uns doch bitte einen Überblick über deinen Hintergrund und deine bisherigen Tätigkeiten.

Mein fachlicher Hintergrund ist Molekularbiologie. Ich habe während meiner Promotion und als PostDoc mit humanpathogenen Hefepilzen gearbeitet und Virulenz- und Resistenzfaktoren studiert.

Vor inzwischen 12 Jahren habe ich bei der Bayern Innovativ begonnen, im Technologie- und Wissenstransfer zu arbeiten und Unternehmen bei ihren Entwicklungs- und Innovationstätigkeiten zu unterstützen. Zunächst im Bereich der Life Sciences, später mit zunehmenden Fokus im Bereich der Bioökonomie, der Nutzung erneuerbarer Rohstoffe und biobasierter Werkstoffe.

Über viele Jahre habe ich das Kooperationsforum Biopolymere organisiert, bei dem neue Technologien und innovative Anwendungen von nachwachsenden Rohstoffen und biobasierten Werkstoffen im Mittelpunkt stehen. Rund um dieses Forum hat sich ein Netzwerk von Unternehmen und Forschungseinrichtungen gebildet, das auch manche Mitglieder des Chemie-Clusters Bayern genutzt haben.

Diese bestehenden Kontakte haben uns dabei geholfen, den partizipativen Prozess für die Erstellung der bayerischen Bioökonomie-Strategie im Auftrag des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie zu organisieren und durchzuführen. Das Ergebnis ist dann das Strategiepapier gewesen, das dieses Jahr zum ersten Mal evaluiert werden soll.

Darüber hinaus bringe ich auch vielfältige Kontakte aus der Mitarbeit in der Dialogplattform Industrielle Bioökonomie des BMWKs und durch meine Jurorentätigkeit bei PlanB Wettbewerb und Science4Life mit. An der TH Nürnberg habe ich einen Lehrauftrag für Mikrobiologie und Biochemie.

Was sind nun deine Aufgaben und Tätigkeiten im Chemie-Cluster Bayern?

Thematisch habe ich weiterhin die industrielle Biotechnologie, grüne Chemie, biobasierte Werkstoffe und Technologien zur Nutzung erneuerbarer Rohstoffe im Fokus. Es ist mein Ziel, auch andere Themen für den Cluster und seine Mitglieder zu entwickeln, z.B. alternative Proteine und Foodtech, nachhaltige Ansätze in der Textil- oder Baubranche sowie die Nutzung von CO2 als erneuerbaren Rohstoffe und innovative Technologien für die Circular Economy.

Hier vertrete ich u.a. den Cluster im Interreg-Projekt „CradleAlp“, das Ende 2022 mit Partner aus Italien, Deutschland, Österreich, Frankreich, Slowenien und der Schweiz gestartet ist. Unser Ziel ist es, mit Industrieexperten Roadmaps für die nachhaltige Transformation in den Sektoren Chemie/Material, Kunststoffe, Verpackung, Möbel/Holz und Textil zu erarbeiten und diese als Blaupause dafür zu nutzen, um Wertschöpfungskreisläufe mit Unternehmen aus mindestens drei der Regionen zu testen.

Was ist deine Motivation, dich so für die Biotechnologie und grüne Chemie einzusetzen?

Das Bewusstsein für die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Transformation ist in der Öffentlichkeit und Politik stark gestiegen. Für die meisten Menschen ist es offensichtlich, dass wir unsere Wirtschaft und Produktionsweisen ändern müssen, um unsere Lebensgrundlage und unseren Wohlstand zu erhalten. Auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene müssen wir umdenken und neue Wege einschlagen.  Nicht nur aktuell der Krieg in Europa zeigt uns deutlich die negativen Konsequenzen der Abhängigkeit von fossilen Ressourcen. Wir wissen schon lange, dass wir die CO2-Emissionen massiv reduzieren, Lösungen zur Vermeidung von Mikroplastik entwickeln oder effektive Kreisläufe für die zirkuläre Nutzung unserer Werkstoffe aufbauen müssen.

Dazu müssen wir über den Tellerrand hinaus schauen und offen sein für neuartige Lösungsansätze. Ich bin davon überzeugt, dass die zirkuläre Bioökonomie der richtige Weg ist, um viele unserer heutigen Probleme mit innovativen Ansätzen zu lösen und Gesellschaft und Wirtschaft auf einen nachhaltigen Weg zu bringen.

Dabei begeistern mich vor allem die vielfältigen Möglichkeiten, die sich durch die industrielle Biotechnologie ergeben. Erneuerbare Rohstoffe wie biogene Reststoffe oder CO2 zu nutzen, um fossile Rohstoffe zu ersetzen und als Ausgangsstoffe für nachhaltigere Grundchemikalien, Werkstoffe und Produkte einzusetzen. Die Biotechnologie ermöglicht Recycling von Kunststoffpolymeren mit Enzymen, die Produktion von bioabbaubaren Materialien für Verpackungen, den Kohlenstoff in Textilfasern mit Hilfe von CO2 zu ersetzen oder zukünftig Computerchips aus Pilzmycel als Trägermaterial herzustellen. Die Möglichkeiten sind riesig und es ist viel Platz für innovative und kreative Köpfe.

Wie können Unternehmen aus dem Chemie-Cluster Bayern – aus der Chemie und nahestehenden Industriezweigen – von der Bioökonomie profitieren?

Ich denke, es gibt zahlreiche Ansatzpunkte für Unternehmen der Chemie und Werkstoffproduktion sowie Unternehmen anderer Branchen. Das reicht von der Umstellung der Rohstoffbasis, dem Einsatz CO2- oder biobasierter Chemikalien oder neuer Konzepte, die auf Design for Recycling setzen, um Produkte und Materialien im Kreislauf führen zu können.

Alles was es braucht ist der Wille zur Innovation und den Mut sich von alten Abhängigkeiten, lösen zu wollen. Das ist natürlich leicht so dahin gesagt. Es braucht die richtigen Ideen, die richtigen Technologien und die richtigen Mitarbeiter dazu, um Neues zu entwickeln. Und jede Menge Geld.

Für diese benötigte Transformation können wir als Chemie Cluster unsere Unterstützung anbieten. Wir helfen, Partner für FuE-Projekte zu identifizieren, das Wissen von Experten mit unseren Mitgliedern zu teilen, gezielt zu vernetzen, damit die richtigen Personen miteinander sprechen. Wir scouten nach passenden Technologien und suchen Lösungsgeber für unsere Clustermitglieder und unterstützen bei der Wahl geeigneter Projektförderung.


Dr. Tobias Schwarzmüller ist seit Anfang des Jahres für den Chemie-Cluster Bayern tätig und hat die Leitung des Technologie-Scoutings und Business Developments übernommen. Er hat Biologie an der Universität Regensburg studiert, bei Tularik Inc in San Francisco in der R&D-Abteilung gearbeitet und an der Universität Wien/Max F. Perutz Laboratories über humanpathogene Hefepilze promoviert. Nach einem PostDoc in der Infektionsbiologie hat er sich für eine Tätigkeit im Technologie- und Wissenstransfer entschieden und sechs Jahre für das Netzwerk Life Science bei der Bayern Innovativ gearbeitet. Seit über acht Jahren unterstützt er Unternehmen aus der industriellen Biotechnologie und der Werkstoffe im Bereich Bioökonomie, Circular Economy und Innovation.