Frau Reynolds, 2019 gründete sich LignoPure als ein Spin-Off der Technischen Hochschule Hamburg. Wie entstand die Idee zu Gründung und was genau macht ihr Startup?
Bei der Nutzung von z.B. Stroh oder Holz zur Gewinnung von Zellstoff, Chemikalien oder Bioethanol fällt stets Lignin als Nebenstrom an. Lignin ist neben Cellulose einer der Hauptbestandteile verholzender Biomassen und das zweithäufigste Biopolymer der Welt. Das Lignin wird bisher jedoch kaum in hochwertigen Produkten genutzt, sondern größtenteils zur Energiebereitstellung verbrannt. Das ist sehr schade, denn Lignin besitzt viele faszinierende Eigenschaften, die sich auch in Produkten unseres täglichen Gebrauchs gezielt einsetzen lassen, so zum Beispiel im Life Science-Bereich und innovativen Materialien. Und genau dies möchten wir mit LignoPure realisieren – durch die Produktion von maßgeschneiderten Lignin-Partikeln für kosmetische Anwendungen sowie individuelle technologische Entwicklungsservices.
LignoPure wurde von einem Team aus WissenschaftlerInnen und Studierenden der TU Hamburg gegründet. Das Institut für Thermische Verfahrenstechnik ist dort schon etliche Jahre im Bereich 2G-Bioraffinerien aktiv. Während unserer Zeit am Institut haben wir unsere Leidenschaft für das Lignin und seine vielseitigen Eigenschaften und Einsatzmöglichkeiten entdeckt. Joana Gil, unsere Mitgründerin und CEO von LignoPure hatte bereits früh die Vision, Lignin im Bereich Life Science einzusetzen und mit unserer Technologie können wir diesen Schritt nun realisieren!
Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es für ihre Produkte und welche Vorteile entstehen dadurch?
Lignin ist ein pflanzenbasierter, also „veganer“ Rohstoff, welcher bereits zentral in Zellstofffabriken oder Bioraffinerien anfällt und somit sehr gut industriell nutzbar wäre. Lignin steht zudem nicht in Nahrungsmittelkonkurrenz, was es vielen anderen bereits etablierten biobasierten Lösungen voraushat. Was das Lignin aber vor allem auszeichnet ist seine Funktionalität!
Lignin wirkt in der Pflanzenzellwand unter anderem als Antioxidanz und UV-Schutz, aber z.B. auch als mechanische Verstärkung in Form eines Füllstoffes. Und wir möchten diese Funktionalitäten gezielt in innovative Produkte auf Basis des Rohstoffs Lignin einbringen, welche fossile Lösungen in unserem täglichen Leben ersetzen können. In Verbundmaterialien kann es z.B. als Flamm- und Alterungsschutz eingesetzt werden, in Kosmetika als UV-Filter oder Surfactant. Nun ist Lignin natürlich nicht gleich Lignin, die verschiedenen Ausgangsbiomassen und Aufschluss-Prozesse sowie die Aufbereitung des Materials haben entscheidenden Einfluss auf die finalen Eigenschaften. Und genau hier liegt unsere Expertise.
Damit ist das Lignin auch weitaus mehr als ein reiner Bio-Füllstoff zur Optimierung des ökologischen Fußabdruckes eines Materials. Was nicht bedeutet, das Lignin nicht durchaus einen positiven Einfluss auf z.B. die CO2-Emissionen haben kann, auch im Vergleich zu anderen biobasierten Lösungen.
Mit welchen Herausforderungen sind Sie und ihr Team konfrontiert?
Bisher gibt es nur wenige kommerzielle Anwendungen von Lignin, diese meist in niederwertigen Einsatzgebieten. Diese Lignine werden direkt von den Zellstoffunternehmen oder Bioraffinerien vertrieben und kaum aufbereitet. Eine effiziente Nutzung von Ligninen in hochwertigen Produkten erfordert jedoch eine gezielte Auswahl der Lignintype nach Eigenschaften, Preis, Verfügbarkeit etc., ggf. sogar eine individuelle Aufbereitung.
LignoPure bekleidet als B2B-Startup mit seinem Geschäftsmodell damit erstmals die Rolle eines Bindegliedes zwischen zwei Prozessfeldern – der Zellstoff-/Bioraffinerie-Industrie sowie den verarbeitenden Betrieben, welche innovative Lignin-basierten Produkte auf den Markt bringen möchten. Dies bringt natürlich die Erschließung völlig neuer Materialwege und mitunter den kreativen Einsatz etablierter Verfahren für neue Ansätze mit sich – ein Weg, der nicht immer einfach ist. Auch für die Idee, Lignin in wirklich hochwertigen Produkten einsetzen zu wollen, muss man durchaus Leidenschaft zeigen. Aber die Mühe lohnt sich! Durchaus ein Hindernis für den Einsatz des Lignins kann auch seine charakteristische braune Farbe sein. Allerdings ändert sich dies zunehmend durch stärkeres Bewusstsein der Verbraucher für nachhaltige Lösungen und neue Designideen für ökologische Produkte. Und in etlichen Produkten ist dieser natürliche Farbton sogar von Vorteil.
Wienke Reynolds ist Mitgründerin und CTO der LignoPure GmbH. Sie studierte Bioverfahrenstechnik and der TU Hamburg und promovierte dort am Institut für Thermische Verfahrenstechnik im Bereich Bioraffinerie-Prozessentwicklung.