Alternativen zu Tierversuchen, Modellsysteme, Biomaterialien und “künstliches” Fleisch. Zu all diesen Themen stehen uns Dr. Daniela Zdzieblo und Dr. Christian Lotz Rede und Antwort. Die beiden sind Gruppenleiterin und Gruppenleiter am Fraunhofer ISC TLZ-RT und forschen an spannenden nachhaltigen Themen.
Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC in Würzburg ist ein langjähriges Mitglied des Chemie-Clusters. Woran wird am Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien TLZ-RT des ISC gearbeitet?
Das Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien TLZ-RT des Fraunhofer ISC entwickelt zellbasierte Gewebemodelle und Testsysteme, skalierbare Produktionsprozesse und neuartige Biomaterialien.
Ziele unserer Arbeiten sind die Etablierung von Alternativen zu Tierversuchen als akzeptierten Standard in der Bevölkerung, Forschung und Industrie, als auch eine schnelle Implementierung und Kombination von Ergebnissen der aktuellen Materialforschung und dem Tissue Engineering für die Regenerative Medizin in präklinischer und klinischer Anwendung. In enger Kooperation mit Partnern aus der Medizintechnik, der Biotechnologie und der Pharmaindustrie forschen wir im Auftrag von Unternehmen ebenso wie für Kliniken, Diagnostiklabors und anderen Forschungseinrichtungen.
Biomaterialien, Bioreaktortechnik und In-vitro-Testsysteme gehören zu den Arbeitsgebieten des Instituts. Wo seht ihr Berührungspunkte mit den eher auf stoffliche Nutzung ausgerichteten Chemie- und Werkstoffunternehmen und konkrete Anwendungsmöglichkeiten eurer Expertise in neuen Branchen?
In den Biomaterialien werden synthetische und biologische Biomaterialien wie z.B. Partikel und Beschichtungen für oder in Zusammenarbeit mit Werkstoffunternehmen entwickelt, sowie deren Analytik und Verbesserung der Eigenschaften.
In der Bioreaktortechnik werden Produktionsprozesse automatisiert für eine standardisierte und reproduzierbare Herstellung, wie zum Beispiel für die automatisierte Synthese von Nanopartikel im BMBF geförderten Projekt APRONA. Daneben wurde die Automatisierungstechnologie in den EU-Projekten, BigMap und ReUse, zur Herstellung und Recycling von Batteriematerialen angewandt.
Die Testung von Produkten und Stoffen und dessen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus ist eine der zentralen Arbeiten der in vitro Testsysteme. Hier unterstützen wir Unternehmen aus den verschiedensten Branchen für die sichere Entwicklung/Bewertung neuer Chemikalien und Stoffen und deren Effekte. Die zunehmende Relevanz dieser neuen Testmethoden zeigt sich u.a. in der sukzessiven Implementierung in die OECD-Richtlinien zur Testung von Chemikalien, in der sie die tierbasierten Methoden ablösen.
Wie wird sich der Bereich des Bioprintings und der Biomaterialien in Zukunft entwickeln? Wird es das gehypte Cultured Meat wirklich einmal im Supermarkt zu kaufen geben?
Bioprinting und das Feld der Biomaterialien haben das Potenzial, sowohl die medizinische Landschaft als auch die Lebensmittelindustrie grundlegend zu transformieren. Experten prognostizieren eine rasante Entwicklung in diesen Bereichen, insbesondere mit Blick auf Anwendungen wie z.B. das von Ihnen angesprochene Cultured Meat, das kultivierte Fleisch aus dem Labor.
Bioprinting, die Technologie des 3D-Drucks biologischer Materialien, entwickelt sich kontinuierlich weiter und wird zunehmend präziser und kosteneffizienter. Diese Fortschritte sind der Grundstein für eine Zukunft, die den Druck komplexer Gewebe und Organe – zumindest im Teil – zu drucken, die für medizinische Tests und Transplantationen verwendet werden könnten. Parallel dazu werden Biomaterialien, die in diesen Prozessen verwendet werden, immer vielseitiger und nachhaltiger, wodurch ihre Anwendungsbereiche erweitert werden.
Ein besonders spannender Fortschritt im Bereich der Biomaterialien ist die Entwicklung von Cultured Meat. Diese Innovation, bei der Fleisch direkt aus Zellkulturen gezüchtet wird, verspricht eine umweltfreundlichere und ethisch vertretbarere Alternative zur herkömmlichen Viehzucht. Die Frage, ob Cultured Meat wirklich einmal im Supermarkt erhältlich sein wird, beschäftigt viele Verbraucher und Experten. Zudem muss man bedenken, wie der Kunde es annehmen wird.
Aktuelle Trends und Investitionen deuten darauf hin, dass Cultured Meat in den kommenden Jahren zur kommerziellen Realität werden könnte. Mehrere Start-ups und etablierte Unternehmen in der Lebensmittelindustrie haben bereits bedeutende Fortschritte gemacht und erste Produkte in kleinem Maßstab auf den Markt gebracht. Die Herausforderung liegt nun darin, die Produktion zu skalieren und die Kosten zu senken, um dieses innovative Produkt für den breiten Markt zugänglich zu machen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Bereich des Bioprintings und der Biomaterialien eine vielversprechende Zukunft hat, sowohl in der Medizin als auch in der Lebensmittelindustrie. Mit fortschreitender Technologie und wachsendem Interesse könnten Produkte wie Cultured Meat schon bald Teil unseres alltäglichen Lebens sein.
Eine Vernetzung des TLZ-RT mit der Universität Bayreuth durch den Chemie-Cluster nimmt einen erfolgversprechenden Verlauf. In einer Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Laforsch sollen die Auswirkungen von Mikroplastik auf den Menschen in euren In-vitro-Gewebemodellen für unterschiedliche menschliche Organe untersucht werden. Was genau ist das Ziel der gemeinsamen Forschung?
Ziel unserer Kooperation ist es potenzielle gesundheitliche Risiken von Mikroplastik für den Menschen zu untersuchen. Dabei kommen vor allem moderne, tierversuchsfreie Forschungsmethoden zum Einsatz, welche spezifische Auswirkungen von Mikroplastik auf die menschliche Gesundheit aufzeigen können.
Die Forschung konzentriert sich auf Fragenstellungen wie z.B. die Analyse zellulärer Schäden oder die Reaktionen des Immunsystems, die durch die Aufnahme von Mikroplastik ausgelöst werden könnten. Durch den Einsatz von fortschrittlichen in-vitro-Techniken wird ein tiefgreifendes Verständnis dieser Interaktionen angestrebt, ohne auf Tierversuche zurückgreifen zu müssen.
Diese innovative Herangehensweise ermöglicht es, direkte Auswirkungen von Mikroplastik auf menschliche Zellen zu studieren und dabei ethische Standards zu wahren. Die Ergebnisse dieser Forschung sind von entscheidender Bedeutung, um gesundheitliche Risiken besser einschätzen zu können und gegebenenfalls präventive Maßnahmen zu entwickeln.
Die Erkenntnisse dieser Kooperation werden nicht nur dazu beitragen, das öffentliche Bewusstsein für die Problematik des Mikroplastiks zu schärfen, sondern auch wichtige Daten liefern, die für zukünftige umwelt- und gesundheitspolitische Entscheidungen wegweisend sein könnten.
Welche Dienstleistungen könnt ihr für Unternehmen aus anderen Branchen anbiete?
Wir bieten unseren Kunden spezialisierte Angebote zur Auftragsforschung. Dabei konzentrieren wir uns auf die Entwicklung zellbasierter Alternativen zu Tierversuchen, die nicht nur ethische Vorteile bieten, sondern auch präzisere und human-relevantere Daten liefern können.
Unsere zellbasierten Modelle und Testmethoden spielen eine entscheidende Rolle in Wirksamkeitstestung, Bioverfügbarkeitsstudien und der Risikobewertung. Durch den Einsatz dieser fortschrittlichen Technologien können wir die Sicherheit von Produkten oder die Wirksamkeit neuer Therapeutika effektiv bewerten, was für unsere Kunden einen modernen Weg für eine sicherere und schnellere Markteinführung ebnet. Mit unserem Angebot zur Auftragsforschung setzen wir uns für eine Zukunft ein, in der die biomedizinische Forschung sowohl ethisch verantwortungsbewusst als auch wissenschaftlich fortschrittlich ist. Informieren Sie sich noch heute, wie wir Ihr nächstes Projekt unterstützen können.
Am 5.-7.6. findet das WI3R Symposium in Würzburg statt. Das Fraunhofer ISC TLZ-RT ist hierbei Gastgeber. Die Anmeldung ist noch bis zum 30.5. möglich.
📅 5.-7.06.2024
🚩 Rudolf Virchow Center, Josef-Schneider-Str. 2 Haus D15, 97080 Würzburg
Dr. Daniela Zdzieblo studierte Molekulare Biowissenschaften an der Universität Heidelberg. Im Jahr 2015 promovierte sie im Bereich der Stammzellbiologie an der Universität Würzburg. Von 2015 bis 2019 arbeitete sie als Postdoktorandin im Bereich des pankreatischen Tissue Engineering. Von 2019 bis 2022 hatte sie eine Gruppenleiterposition am Fraunhofer TLZ-RT und am Lehrstuhl für Tissue Engineering & Regenerative Medizin (Universitätsklinikum Würzburg) inne, wobei sie sich auf die Etablierung von dreidimensionalen (3D) gastrointestinalen Gewebemodellen und bioaktiven Materialien für humanen iPS-Zelltechnologie konzentrierte. Seit 2023 leitet sie gemeinsam mit Dr. Christian Lotz die Abteilung „In vitro Testsysteme“ am TLZ-RT.
Dr. Christian Lotz studierte Biomedizin an der Universität Würzburg. Im Jahr 2018 promovierte er im Bereich des okularen Tissue Engineering an der graduierten Schule der Universität Würzburg. Von 2018 bis 2020 arbeitete er als Projektleiter im Bereich Haut und Auge Tissue Engineering am Fraunhofer Translationszentrum für regenerative Therapien des Fraunhofer ISC. Von 2020 bis 2022 hatte er eine Gruppenleiterposition am Fraunhofer TLZ-RT und am Lehrstuhl für Tissue Engineering & Regenerative Medizin (Universitätsklinikum Würzburg) inne, wobei er sich auf die Etablierung von dreidimensionalen (3D) okularen Gewebemodellen und Testmethodenentwicklung für die Risikobewertung konzentrierte. Seit 2023 leitet er gemeinsam mit Dr. Daniela Zdzieblo die Abteilung „In vitro Testsysteme“ am TLZ-RT.