Hallo Frau Rommel, wir freuen uns sehr die BIOVOX GmbH als neues Mitglied des Chemie-Cluster Bayerns begrüßen zu dürfen. Bitte stellen Sie das Start-up BIOVOX kurz vor und erzählen Sie uns mehr zu Ihren Produkten.
BIOVOX entwickelt neue Biokunststoff-Compounds, die über eine erweiterte Funktionalität verfügen. Dazu gehören die inhärente antimikrobielle Wirkung, Barriereeigenschaften gegen Sauerstoff und Wasserdampf oder der Einsatz regionaler Rohstoffe. Zugleich sind die Compounds umweltfreundlich: Biobasiert, mikroplastikfrei, biologisch abbaubar und weniger CO2. Solche Werkstoffe können in vielen Produkten verwendet werden, die heute noch aus erdölbasierten Kunststoffen hergestellt werden.
Wie habt Ihr euch als Team gefunden? Welche Unterstützung braucht ein Start-up in der Chemiebranche in den ersten Jahren?
Julian und ich kennen uns von der Uni, dort haben wir viele Jahre lang zusammengearbeitet und geforscht. Vinzenz hat uns auf einer Start-up-Messe angesprochen und als ausgewiesener 3D-Druck-Experte super das Team ergänzt. Das zeigt auch was für ein junges Unternehmen mit am wichtigsten ist: Sichtbar sein und ein Netzwerk aufbauen. Über unser Netzwerk sind schon viele unheimlich wertvolle Kontakte zustande gekommen. Ohne deren Input wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Dabei sind neben Entwicklungspartnern vor allem die Kontakte zu Kunden und Anwendern wichtig. Der umweltfreundlichste Kunststoff hilft ja niemandem, wenn er nicht in Produkten eingesetzt wird.
Als Proof of Concept habt ihr ein Material aus Lebensmittel-Produktionsrückständen entwickelt, das nach der Nutzung auf einem Heimkompost biologisch abbaubar ist. Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?
Weltweit werden jährlich ca. 1,6 Milliarden Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das ist das dreifache Gewicht der Weltbevölkerung und eine Verschwendung, die wir uns auch aus klimagründen eigentlich nicht leisten können. Gleichzeitig ist unsere Ernährung ein wichtiger Teil von uns. Der erste Kaffee am Morgen oder das gemütliche Glas Bier oder Wein mit Freunden sind Glücksmomente, die viele nicht missen wollen.
Wir haben deshalb unser „Regiogradable“ entwickelt. Das Spritzguss- und Extrusionsmaterial basiert auf einem Blend aus Biokunststoffen und organischen Reststoffen und ist kompostierbar. Das sieht nicht nur gut aus, sondern senkt gleichzeitig auch den ökologischen Fußabdruck und kann noch besser kompostiert werden. Genutzt werden können Reststoffe der Lebensmittelindustrie aber auch andere Sekundärbiomasse wie Grasschnitt, Holzabfälle oder Textilien. Stehen Reststoff und Produkt in einem Zusammenhang, erzählt der Regiogradable-Kunststoff ganz plastisch die Geschichte des Produkts. So zum Beispiel z. B. Traubentrester in Schalen für Obstverpackungen, Getreidespelzen in der Brotkiste, oder ausgekochte Blüten im Handcremetiegel. Wir bringen also maximale Nachhaltigkeit mit einer tollen Optik und einer einzigartigen Story für jedes Produkt zusammen.
Neben den Regiogradables entwickeln wir gerade biologisch abbaubare Flaschen, Lebensmittelverpackungen und ein antimikrobielles Additiv – ebenfalls biobasiert und vollständig abbaubar.
Mit dem Blick in die Zukunft – wo sehen Sie BIOVOX in ein paar Jahren? Was ist die langfristige Vision und welche Herausforderungen müssen auf diesem Weg überwunden werden?
Wir wollen medizinische Implantate zur Behandlung von Knochenbrüchen aus einem eigenen, hochfesten Bio-Verbundwerkstoff entwickeln. Die könnten allein in Deutschland pro Jahr bis zu 180.000 Operationen überflüssig machen, weil sich der Kunststoff im Körper abbaut und die Implantate nicht wieder entnommen werden müssen. Das reduziert medizinische Risiken und spart den Krankenkassen eine Menge Geld. Derzeit erproben wir die Materialien zusammen mit einer Uniklinik. Bis zum fertigen Implantat haben wir aber noch ein gutes Stück Weg vor uns, für das wir erfahrene Partner suchen.
Carmen Rommel hat Maschinenbau mit Fokus auf umweltfreundliche Produktenwicklung und Produktion an der TU Darmstadt studiert. Sie ist Co-Gründerin und bei BIOVOX für das Supply-Chain-Management, Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeit verantwortlich.