Hot Seat: Ann-Kathrin Wagner

Datum: 30 Nov, 2021

Liebe Frau Wagner, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen. Sie sind Prokuristin der BioCampus Straubing GmbH und leiten dort den Bereich Biobasierte Wirtschaft. Beschreiben Sie doch bitte einmal kurz, was der BioCampus ist und was ihn auszeichnet.

Da muss man ein bisschen unterscheiden zwischen unserem Unternehmen und dem BioCampus als Ort. Die BioCampus Straubing GmbH ist ein kommunales Unternehmen, das Anfang der 2000er von Stadt und Landkreis Straubing als Tochter des interkommunalen Zweckverbands Hafen Straubing-Sand ins Leben gerufen wurde. Der Unternehmenszweck ist, die Region Straubing als Standort für die biobasierte Wirtschaft zu profilieren und mit Instrumenten der Wirtschaftsförderung zu stärken. Das ist dann auch zusammengefasst die Arbeit von mir und meinen Kolleg*innen – wir richten uns mit unseren Angeboten an bereits angesiedelte Unternehmen am Standort aus der Bioökonomie-Branche, aber auch an solche, die eher „branchenfremd“ sind, sich aber für die Bioökonomie interessieren. Außerdem siedeln wir Bioökonomie-Unternehmen in der Region an. Der BioCampus als solcher ist ein ca. 9 ha großes Areal im 220 ha großen Hafengebiet in Straubing. Hier befinden sich beispielsweise unser Technologie- und Gründerzentrum, in dem wir Flächen speziell für Start-ups aus der biobasierten Wirtschaft anbieten, die  sunliquid®-Anlage der Clariant und zukünftig unsere BioCampus MultiPilot (BMP). Die restliche Fläche ist reserviert für weitere, thematisch passende Ansiedlungen. Ich denke, das ist schon ein spezielles Angebot, das wir als Teil eines starken Ökosystems in unserer Region verstehen – wir stellen quasi die Infrastruktur und Services für die Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Richtung Markt, die aus Akademia und Industrie heraus erarbeitet werden.

Bald beginnt der Bau der von ihnen erwähnten BioCampus MultiPilot, einer Mehrzweckdemo-Anlage für die industrielle Biotechnologie, die bis 2024 fertiggestellt werden soll. Wie wird die Anlage aussehen und wem steht sie offen?

Die Anlage soll dazu beitragen, das sogenannte „valley of death“ in der Entwicklung vom Labor- zum Industriemaßstab zu überbrücken. Ein Fokus liegt auf Prozessen der industriellen Biotechnologie und zunächst einmal lignozellulosehaltigen Feedstocks. Die Anlage wird aus drei Hauptunits bestehen: Aufschluss, Reaktion/Fermentation und Downstream-Processing. Durch den Multipurpose-Charakter gibt es also nicht den einen Prozess, was die Auslegung und das Engineering zu einer spannenden Aufgabe macht. Es wird jedoch eine größtmögliche Menge von Prozessen in der Anlage abbildbar sein. Das ermöglicht, dass insbesondere Unternehmen verschiedener Größen nicht selbst in Pilot- und Demoanlagen investieren müssen, sondern ihr Skale-up, Produktmusterherstellung etc. in Straubing durchführen können. Ganz wichtig dabei: die Anlage wird diskriminierungsfrei sein, also im Rahmen von Buchungen zugänglich für Unternehmen vom Start-up bis zum Großkonzern genauso wie für wissenschaftliche Einrichtungen, und das international. Bayern und Straubing werden damit dann einer von sehr wenigen Standorten in Europa, die über eine solche Infrastruktur verfügen. Dafür fördert das Bayerische Wirtschaftsministerium die BMP auch mit 40 Mio. €.

Was wird in Zukunft auf dem BioCampus im Hafen Straubing passieren?

Wir haben eine Vision im Kopf und auf dem Papier – wir nennen sie Masterplan BioCampus. Dieser Masterplan sieht neben der BMP auf dem beschriebenen Areal auch eine Erweiterung unser Büro- und Laborinfrastruktur im Technologie- und Gründerzentrum vor sowie natürlich weitere Ansiedlungen, die das Ökosystem Straubings nutzen und bereichern möchten. Dazu gehört auch die noch stärkere räumliche und inhaltliche Verknüpfung mit den Forschungseinrichtungen in der Region und darüber hinaus. Außerdem wollen wir den BioCampus weiter als Standort für Start-ups aus Bioökonomie und industrieller Biotechnologie etablieren – neben unserem Start-up Wettbewerb „PlanB – Biobasiert.Business.Bayern.“ ist hier ganz besonders ein verbessertes Angebot für Laborräumlichkeiten von Belang. Daran arbeiten wir ebenfalls gerade. Insgesamt sehen wir nicht nur den BioCampus, sondern die Gesamtregion zukünftig als einen zentralen Hub für die europäische biobasierte Wirtschaft.


Ann-Kathrin Wagner leitet den Bereich Biobasierte Wirtschaft bei der BioCampus Straubing GmbH, für die sie seit 2014 tätig ist. Kernthema ihrer Arbeit ist die strategische und infrastrukturelle Entwicklung des BioCampus im Hafen sowie der gesamten Region Straubing als Hub für die Bioökonomie und industrielle Biotechnologie. Studiert hat Ann-Kathrin internationale Kulturwirtschaft in Passau und Sustainable Development/Environmental Governance in Utrecht, Niederlande. Ann-Kathrin ist seit 2021 Mitglied im Nachhaltigkeitsbeirat der Stadt Straubing.

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